Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Das monarchische Princip. 21 
das Recht vorbehalten für seine Verfassung die Garantie des Bundes nach— 
zusuchen. Daran schloß sich der wohlgemeinte Vorschlag, die bestehenden 
Verfassungen dürften nur „auf die durch die Verfassung selbst bestimmte 
Art“ abgeändert werden. Auch diesen Antrag bekämpfte Berstett als einen 
Verstoß wider das monarchische Princip. Aber auch Bernstorff hegte dies— 
mal Bedenken, weil Niemand mit Sicherheit zu sagen wußte, welche Ver— 
fassungen in Deutschland noch wirklich bestanden! Durfte Preußen sich 
verpflichten, die ärmlichen Trümmer der Feudalstände in seinen alten Terri— 
torien nur mit Zustimmung dieser Stände selber aufzuheben? Dann war 
eine Verfassung für den Gesammtstaat unmöglich. „Die neue Verfassung“, 
schrieb der Staatskanzler an Bernstorff, „muß aus dem Willen, der Weis— 
heit und Gerechtigkeit des Königs allein hervorgehen.“ Er forderte also 
volle Freiheit für die preußische Krone, und auf Bernstorff's Antrag gab 
die Conferenz dem Art. 56 die unverfängliche Fassung: daß „die in 
anerkannter Wirksamkeit bestehenden landständischen Verfassungen“ nur 
auf verfassungsmäßigem Wege abgeändert werden sollten.) 
Hierauf folgte der Hauptsatz des neuen deutschen constitutionellen 
Staatsrechts. Das „monarchische Princip“, das schon in Karlsbad auf 
Württembergs Antrag allgemeine Anerkennung gefunden hatte und in 
der That für den Bestand dieses Fürstenbundes unentbehrlich war, wurde 
förmlich als Regel für alle deutschen Landesverfassungen anerkannt. Der 
Art. 57 bestimmte: „Die gesammte Staatsgewalt muß in dem Oberhaupte 
des Staates vereinigt bleiben, und der Souverän kann durch eine land- 
ständische Verfassung nur in der Ausübung bestimmter Rechte an die 
Mitwirkung der Stände gebunden werden.“ Wie frohlockte Gentz, als der 
Ausschuß der Conferenzen sich über diesen Satz geeinigt hatte. So lange 
schon führte er den Federkrieg wider Montesquien's Gewaltentheilung und 
Rotteck's Volkssouveränität; nun sah er alle diese anarchischen Doktrinen 
durch einen feierlichen Ausspruch des deutschen Areopags „unwiderruflich 
gestürzt“, und da er nach Publicistenart die Bedeutung solcher theore- 
tischen Kämpfe überschätzte, so schrieb er voll übermüthiger Freude am 
14. December 1819 in sein Tagebuch: „eines der größten und würdigsten 
Resultate der Verhandlungen unserer Zeit; ein Tag wichtiger als der bei 
Leipzig!“ Auch sein getreuer Adam Müller wünschte, daß der kostbare 
Satz in den Codex des allgemeinen europäischen Staatsrechts übergehen 
möge, und drei Jahrzehnte hindurch ward der Art. 57 W. S. A. als „das 
Motto des monarchischen Systems“ auf den deutschen Kathedern leiden- 
schaftlich bald bekämpft bald gepriesen. Sein praktischer Werth war ungleich 
geringer als die Männer der Doktrin annahmen. Die juristischen Dilet- 
tanten der Conferenzen hatten wieder nicht verstanden, für ihren richtigen 
politischen Gedanken einen scharfen staatsrechtlichen Ausdruck zu finden. 
  
*) Weisung des Staatskanzlers, 25. Dec.; Bernstorff's Bericht, 31. Dec. 1819.
	        
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