Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

288 III. 5. Die Großmächte und die Trias. 
leuchten zu lassen trieb ihn eine Zeit lang in die Heerschaaren Wangen— 
heim's. „Wahrlich, das Geld, das der Staat an mich wendet, soll nicht 
verloren sein“, schrieb er einmal, und mit frechem Galgenhumor schilderte 
er die dialektischen Klopffechterkünste der Opposition, der er sich selber 
angeschlossen hatte, also: „Belehrt durch das Beispiel der großen Höfe, 
daß man durch Propositionen, Gegenpropositionen, Dilemmen, Syllogismen, 
Kettenschlüsse, Sorites und wie die ganze Batterie logischer Formeln heißt, 
jeden herzhaften Entschluß in der Politik hintertreiben oder wenigstens 
ajourniren könne, haben wir uns bemüht, hierin nicht zurückzubleiben, ja 
vielmehr die Meister in dieser Kunst wenigstens durch die Ausführlichkeit 
unserer Abhandlungen zu überbieten, so daß es beinahe unmöglich ist, es 
in der Kunst, Alles zu beweisen, was man will, weiter zu bringen.“ Von 
dieser dreisten Stirn glitt der Vorwurf der Treulosigkeit ab, wie das 
Wasser von der Ente. In seiner Jugend ein liederlicher Verschwender, in 
späteren Tagen ein geriebener Speculant, beurtheilte er die Welt nach 
seinem eigenen Charakter und bekannte sich offen zu dem machiovellistischen 
Satze, daß man die Menschen durch Furcht und Hoffnung regieren müsse.) 
Trotz seiner abschreckenden Häßlichkeit war der lange hagere junge Mann 
ein beliebter Gesellschafter, obgleich Niemand diesen gemeinen Zügen recht 
trauen wollte; er beobachtete scharf und sicher, so daß seine Berichte dem 
Kundigen noch heut reiche Belehrung bieten, und bezauberte Alles durch 
sein selbstbewußtes Auftreten, durch klatschsüchtige Plauderei, durch geist- 
reiche Einfälle sowie durch ein Wissen, das wenig tief, doch immerhin den 
Kenntnissen der meisten anderen Bundesgesandten weit überlegen war. 
In der Schule eines ehrenhaften Staatslebens hätte Blittersdorff's Talent 
vielleicht zu großem Ehrgeiz erzogen werden können, in diesem Bundes- 
tage ward er nur ein Zänker und ein Rabulist. 
Das Aergste blieb doch, daß diese wunderliche Oppositionspartei ebenso 
haltlos in der Luft schwebte wie die Triasträume Wangenheim's selber. 
Sie wurzelte nicht in den Gesinnungen und Interessen der Cabinette, 
sondern in den augenblicklichen Stimmungen der Gesandten, die von 
daheim jederzeit eine Zurechtweisung erhalten konnten; und mit vollem 
Rechte schrieb die badische Regierung an Blittersdorff: am Bundestage 
kann es wohl eine bairische oder württembergische Partei geben, aber 
niemals eine Partei Aretin oder Wangenheim.“) Aber die Opposition 
umfaßte fast alle Talente der Versammlung; in der Debatte war ihr 
weder Buol's taktloses Aufbrausen noch Goltz's redliche Gutmüthigkeit 
gewachsen. An zuverlässigen Bundesgenossen besaß der Präsidialgesandte 
nur zwei: den Nassauer Marschall, der durch seine polternde Anmaßung 
  
*Blittersdorff's Berichte, Frankfurt 10. Juni, 29. Nov. 1821, 27. Mai 1822 ff. 
**) Geh.-Rath Jolly, Gutachten zu Blittersdorff's Denkschrift über die deutsche 
Politik vom 18. Febr. 1822.
	        
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