288 III. 5. Die Großmächte und die Trias.
leuchten zu lassen trieb ihn eine Zeit lang in die Heerschaaren Wangen—
heim's. „Wahrlich, das Geld, das der Staat an mich wendet, soll nicht
verloren sein“, schrieb er einmal, und mit frechem Galgenhumor schilderte
er die dialektischen Klopffechterkünste der Opposition, der er sich selber
angeschlossen hatte, also: „Belehrt durch das Beispiel der großen Höfe,
daß man durch Propositionen, Gegenpropositionen, Dilemmen, Syllogismen,
Kettenschlüsse, Sorites und wie die ganze Batterie logischer Formeln heißt,
jeden herzhaften Entschluß in der Politik hintertreiben oder wenigstens
ajourniren könne, haben wir uns bemüht, hierin nicht zurückzubleiben, ja
vielmehr die Meister in dieser Kunst wenigstens durch die Ausführlichkeit
unserer Abhandlungen zu überbieten, so daß es beinahe unmöglich ist, es
in der Kunst, Alles zu beweisen, was man will, weiter zu bringen.“ Von
dieser dreisten Stirn glitt der Vorwurf der Treulosigkeit ab, wie das
Wasser von der Ente. In seiner Jugend ein liederlicher Verschwender, in
späteren Tagen ein geriebener Speculant, beurtheilte er die Welt nach
seinem eigenen Charakter und bekannte sich offen zu dem machiovellistischen
Satze, daß man die Menschen durch Furcht und Hoffnung regieren müsse.)
Trotz seiner abschreckenden Häßlichkeit war der lange hagere junge Mann
ein beliebter Gesellschafter, obgleich Niemand diesen gemeinen Zügen recht
trauen wollte; er beobachtete scharf und sicher, so daß seine Berichte dem
Kundigen noch heut reiche Belehrung bieten, und bezauberte Alles durch
sein selbstbewußtes Auftreten, durch klatschsüchtige Plauderei, durch geist-
reiche Einfälle sowie durch ein Wissen, das wenig tief, doch immerhin den
Kenntnissen der meisten anderen Bundesgesandten weit überlegen war.
In der Schule eines ehrenhaften Staatslebens hätte Blittersdorff's Talent
vielleicht zu großem Ehrgeiz erzogen werden können, in diesem Bundes-
tage ward er nur ein Zänker und ein Rabulist.
Das Aergste blieb doch, daß diese wunderliche Oppositionspartei ebenso
haltlos in der Luft schwebte wie die Triasträume Wangenheim's selber.
Sie wurzelte nicht in den Gesinnungen und Interessen der Cabinette,
sondern in den augenblicklichen Stimmungen der Gesandten, die von
daheim jederzeit eine Zurechtweisung erhalten konnten; und mit vollem
Rechte schrieb die badische Regierung an Blittersdorff: am Bundestage
kann es wohl eine bairische oder württembergische Partei geben, aber
niemals eine Partei Aretin oder Wangenheim.“) Aber die Opposition
umfaßte fast alle Talente der Versammlung; in der Debatte war ihr
weder Buol's taktloses Aufbrausen noch Goltz's redliche Gutmüthigkeit
gewachsen. An zuverlässigen Bundesgenossen besaß der Präsidialgesandte
nur zwei: den Nassauer Marschall, der durch seine polternde Anmaßung
*Blittersdorff's Berichte, Frankfurt 10. Juni, 29. Nov. 1821, 27. Mai 1822 ff.
**) Geh.-Rath Jolly, Gutachten zu Blittersdorff's Denkschrift über die deutsche
Politik vom 18. Febr. 1822.