Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die Parteien auf der Darmstädter Conferenz. 305 
engen Raume eines süddeutschen Verbandes. Allein ein großes freies 
Marktgebiet konnte die Staaten genugsam entschädigen für die unvermeid— 
lichen Opfer und Belästigungen, welche jeder Zollverein anfangs den Ge— 
nossen auferlegt; und diesen einzig ausreichenden Ersatz gewann man nur 
durch den Anschluß an Preußen, der von sämmtlichen Theilnehmern grund— 
sätzlich verworfen wurde. „Wir Alle — so gestand du Thil späterhin 
selber — strebten ja einzig darnach Front gegen Preußen zu machen.““) 
Selbst die politische Eintracht der Verbündeten stand auf schwachen Füßen, 
wie laut auch die Liberalen den natürlichen Bund der constitutionellen 
Staaten priesen. Die Triaspläne des Stuttgarter Hofes fanden im Grunde 
nur bei Wangenheim und dem kleinen Kreise seiner Frankfurter Getreuen 
lebhafte Unterstützung; es war ein Unglück für die Conferenz, daß ihr 
mehrere Bundesgesandte als Bevollmächtigte angehörten und also auch noch 
die Ränke und Klatschereien der Eschenheimer Gasse in das wüste Durch- 
einander der Berathungen hineinspielten. Du Thil hingegen betrieb die 
Verhandlungen, wie sein greiser Großherzog, mit nüchternem Geschäfts- 
verstande und wollte von politischen Hintergedanken nichts hören. Marschall 
und nach einigem Schwanken auch Berstett blieben in dem politischen 
Fahrwasser der Hofburg. Das Münchener Cabinet endlich zeigte keine feste 
Haltung. Während Aretin, der erste Bevollmächtigte, in Darmstadt wie 
in Frankfurt vorsichtig den Spuren Wangenheim's folgte und Lerchenfeld, 
obgleich er die Triasträume seines schwäbischen Freundes nicht billigte, 
doch den süddeutschen Handelsverein ehrlich wünschte, betrachtete Graf Rech- 
berg die Darmstädter Conferenz mit Mißtrauen, und der zweite Bevoll- 
mächtigte Jörres, der ganz von Rechberg abhing, that unter der Hand 
das Seinige um die Verhandlungen zu erschweren. Mit zähem Eigensinn 
hielt jeder Hof seine Forderungen fest, obschon im Grunde noch keiner 
eine durchgebildete handelspolitische Ueberzeugung besaß;"*) jede Nachgiebig- 
keit erschien wie ein Verrath an der eigenen Souveränität. So fehlten 
alle Vorbedingungen einer Verständigung. 
Ein prunkendes Aushängeschild für den Verein war rasch gefunden. 
Die Handelspolitik der Verbündeten sollte auf dem „staatswirthschaftlich- 
finanziellen Principe“ ruhen — ein schönes Wort, dem leider jedes Cabinet 
einen anderen Sinn unterlegte. Der tüchtigste Staatswirth der Ver- 
sammlung, Nebenius, ward auf du Thil's Vorschlag beauftragt, einen 
Entwurf für die Berathungen auszuarbeiten. Voll Zuversicht ging er 
ans Werk; er theilte die allgemeine Ansicht der süddeutschen Bureau- 
kratie, daß die Beseitigung der Binnenmauthen den Particularismus kräf- 
tigen müsse, und schrieb seinem Hofe hoffnungsvoll: durch unseren Verein 
„wird den Einheitspredigern das wichtigste und schlagendste Argument 
siegreich entrissen“. Jedoch der Plan, den er am 27. Nov. vorlegte, 
*) Du Thil's Aufzeichnungen. 
**) So du Thil in seinen Aufzeichnungen. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. III. 20 
 
	        
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