Neuer Zollstreit mit Anhalt. 479
den Geist, der sichtbar in demselben waltet, ertödten, daß aus dem ersteren
ein Rechtstitel für faktischen Zwang entlehnt werde. Wenn ich so das
kleine, auf mich gekommene Erbe meiner Ahnen, das, erhört Gott meine
und meiner vielgeliebten Gemahlin Gebete, der Urenkel eines Königs aus
meiner Hand erhalten wird, vor E. K. Maj. Herzen und Allerhöchstihren
mir und meiner Gemahlin bewiesenen väterlichen Gesinnungen zu ver—
theidigen wage, so fehlt es mir dazu nicht an einem näheren Anlaß“ —
worauf denn eine lange Klage über die dem anhaltischen Lande ange—
drohte „Polizeilinie“ folgte. Der König aber zeigte sich sehr aufgebracht
über die Zweizüngigkeit seines Neffen. Er erinnerte ihn daran, daß
Preußen die Dresdener Elbschifffahrts-Akte erst unterzeichnet habe, nach—
dem die Askanier ihren Beitritt zum preußischen Zollsystem förmlich
versprochen hätten; er forderte ihn auf, dem Beispiele Bernburgs zu folgen
und schloß: „Auch kann ich nicht glauben, daß das in Dresden von
sämmtlichen Herzögen von Anhalt gegebene Versprechen einer Einigung
durch irgend eine von ihnen späterhin gegebene Zusage an Verbindlichkeit
zu verlieren vermöchte.“) Ein zweites Schreiben des Dessauers, das
sich abermals auf die hartnäckige Weigerung des Köthener Vetters berief,
blieb unbeantwortet.
Der König befahl nunmehr, dem Froschmäusekriege ein Ende zu
machen und das anhaltische Land mit der gefürchteten „Polizeilinie“ zu
umgeben, aber zugleich die beiden Herzöge nochmals zu Unterhandlungen
einzuladen.*') Im März 1827 wurde die Elbe oberhalb und unter—
halb Anhalts gesperrt, von den eingehenden Schiffen die vorläufige Zah—
lung der preußischen Zölle gefordert unter Vorbehalt der Rückvergütung
falls die Waaren wirklich in Anhalt verblieben. Sofort sendete der
Köthener Herzog einen Leutnant mit einem Ultimatum nach Berlin; sei
es daß er einen höheren militärischen Würdenträger nicht in seinem Ver—
mögen hatte, oder daß er Preußen verhöhnen wollte. Der tapfere Leutnant
forderte drohend die Zurücknahme der Maßregeln binnen acht Tagen,
sonst werde Köthen zu ernsteren Mitteln greifen. Natürlich erhielt er
keine Antwort; Eichhorn und Heinrich v. Bülow, Humboldt's geistreicher
Schwiegersohn, der in diesen lächerlichen Händeln sein diplomatisches
Talent zuerst bewährte, setzten nur einige scharfe Bemerkungen an den
Rand des Köthener Ultimatums.“) Nun brachte Köthen cette aftaire
ennnyante, wie Bernstorff zu seufzen pflegte, nochmals an den Bundes-
tag. Wieder vertheidigte die gesammte Presse den unschuldigen Klein-
staat, den hochherzigen Beschützer der Schwärzer und der Schwarzen;
*) Herzog Leopold von Dessau an König Friedrich Wilhelm (eingegangen 20. Juni
1826); Antwort, Teplitz Juli 1826.
*“) Zwei Ministerialschreiben des Ausw. Amts an die Rentkammern zu Dessan
und Köthen, 16. Febr. 1827.
*F) Ministerialschreiben an die Gesandtschaft in Wien, 16. März 1827.