Die Mark Meißen. 489
Trümmerwelt Mitteldeutschlands eine lebenskräftige Staatenbildung auf—
stieg, schlug das Haus Sachsen seinen eigenen Bau in Stücke — fast im
selben Augenblicke, da Albrecht Achill die Untheilbarkeit der hohenzollerschen
Kurlande für alle Zukunft sicherte.
Seit die Albertiner von den Ernestinern sich trennten und die Mark
Meißen des Kurhuts verlustig ging, sank dies alte Hauptland der Wet-
tiner für einige Jahrzehnte wieder in die Reihe der kleinen Territorien
herab und verharrte unter seinem gestrengen Herzog Georg noch lange
bei der alten Kirche, derweil die ernestinischen Gebiete die Heimath der
Reformation wurden. Da wendet sich plötzlich das Blatt. Eine unwider-
stehliche Bewegung im Volke drängt auch das albertinische Sachsen in
das evangelische Lager hinüber, und in den kurzen zwölf Jahren seiner
dämonischen Heldenlaufbahn erhebt Herzog Moritz dies der Reformation
kaum gewonnene Land zur führenden Macht des deutschen Protestantis-
mus — ein durch und durch politischer Kopf, der mit der Federkraft seiner
kühnen Entschlüsse in dem Zeitalter der zaudernden Betefürsten wildfremd
erscheint, gewaltig als Kriegsmann und aller hispanischen Lügenkünste
Meister — und trotzdem nur der größte aller deutschen Kleinfürsten, der
begabteste Vertreter des ideenlosen Particularismus; denn kein Schimmer
eines großen nationalen oder kirchlichen Gedankens durchleuchtet die Irr-
gänge dieser Hauspolitik, die mit vollendeter Schlauheit doch bloß den
armseligen Zweck verfolgt, Land und Leute zusammenzuraffen, wo es auch
sei und dem wohlabgerundeten Kleinstaate die ungestörte Selbständigkeit
zu sichern. Durch den Verrath an der Sache seiner Glaubensgenossen
erwirbt sich der Judas von Meißen, wie das erbitterte protestantische Volk
ihn nennt, den Kurhut und die werthvollsten Besitzungen der Ernestiner.
Durch einen zweiten Verrath giebt er die lothringischen Bisthümer den
Franzosen preis, entreißt den Spaniern die Früchte des schmalkaldischen
Krieges, rettet dem Protestantismus das Dasein und demüthigt die kaiser-
liche Gewalt also, daß ihr von der alten Majestät nur noch der Name
bleibt; aber niemals erhebt sich sein Ehrgeiz zu dem Plane, ein evange-
lisches Kaiserthum oder irgend eine neue nationale Rechtsordnung auf den
Trümmern des zerstörten alten Reiches aufzurichten. Dann endet er in
einer wilden Fehde, die er selber durch seine Rebellion hervorgerufen,
urplötzlich wie ein Wandelstern. Das Tagewerk seines Lebens war gethan,
denn es hieße verzweifeln an der göttlichen Führung der Menschengeschicke,
wenn Einer wähnen wollte, sie rufe den Mann des Schicksals vor der
Zeit von hinnen.
Unter Moritz's Nachfolger wurde der neue albertinische Kurstaat auf
kurze Zeit das bestverwaltete aller deutschen Territorien und auf lange
hinaus der Herd der protestantischen Gelehrsamkeit. Zwei große Univer-
sitäten, die drei Fürstenschulen und zahlreiche kleinere Lehranstalten ver-
breiteten bis tief in die Massen hinein wissenschaftliche Bildung; Craco's