Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

42 III. 1. Die Wiener Conferenzen. 
würde.“ Wie flammte der kleine Köthener Herr auf, als er diese uner- 
hörte Aeußerung preußischen Uebermuthes erfuhr und gleichzeitig Bern- 
storff in einem neuen Mahnschreiben an die Köthener Regierung offen 
aussprach: „die norddeutschen Staaten haben den Schutz für ihre Existenz, 
ihre Wohlfahrt und Selbständigkeit und ihre gemeinnützigen Anstalten 
von Preußen zu erwarten.““) Der Herzog, der grade mit seinem könig- 
lichen Schwager zugleich in Karlsbad verweilte, berichtete sofort Alles an 
Marschall. „Ich schmeichle mir, so schrieb er, daß alle Gutgesinnten auf 
meiner Seite stehen und nicht zugeben, daß es Preußen erlaubt wird 
sich Alles zu erlauben. Ob einem Cabinet, das durch einen solchen Mann 
repräsentirt ist, zu trauen ist, lasse ich dahingestellt."“" Dann fuhr er 
höhnisch fort: „das Spaßhafteste ist, daß der König mit uns ebenso freund- 
lich als sonst ist"“ — und bat den Nassauer, auch fernerhin auf Wittgen- 
stein, „der ganz im guten Geiste ist“, wirken zu lassen, damit die Partei, 
welche das Zollgesetz halte, zu Falle komme. Im gleichen Tone antwortete 
Marschall: „Man hat zwar bisher ähnliche Phrasen in dem Munde deut- 
scher Revolutionäre gehört, nicht aber in dem eines Repräsentanten eines 
deutschen Königs. Wenn Preußen das nördliche Deutschland und ganz 
Deutschland schützt, so schützt umgekehrt das nördliche Deutschland und 
ganz Deutschland Preußen. Rechte und Verbindlichkeiten sind durchaus 
wechselseitig. Wer das Gegentheil behauptet, verletzt die erste und Haupt- 
grundlage des Bundes und bewegt sich außerhalb des Bundes. Nament- 
lich hat der mächtigste der deutschen Bundesstaaten, sowohl im Bunde 
als in Europa, bei jeder Gelegenheit den entgegengesetzten Grundsatz laut 
ausgesprochen und bei jeder Veranlassung geltend gemacht.“““) 
Dieser mächtigste der Bundesstaaten trieb unterdessen sein doppeltes 
Spiel weiter. Metternich, der ebenfalls in Karlsbad anwesend war, hielt 
zwar, auf Preußens Wunsch, einige Unterredungen mit dem Herzog, an- 
geblich um den Streit beizulegen..“) Aber zur nämlichen Zeit reichte die 
Köthener Regierung eine Klage beim Bundestage ein und forderte die 
Herausgabe eines dem Köthener Kaufmann Friedheim gehörigen Elbschiffes, 
das beim preußischen Zollamte Mühlberg an der Kette lag, weil der Schiffer 
für den Betrag der preußischen Zölle keine Sicherheit stellen wollte. Nach- 
her ergab sich — der österreichische Bevollmächtigte Münch in Dresden 
mußte es selber dem preußischen Gesandten eingestehen —, daß Adam Müller 
den Friedheim zu seiner Weigerung aufgestiftet hatte um den Streit vor 
den Bundestag zu bringen.“) 
Da Preußen unerschütterlich blieb, so bequemten sich die drei anhalti- 
  
*) Bernstorff an die herz. Landesregierung in Köthen, 30. Juni 1820. 
**) Herzog Ferdinand von Köthen an Marschall, Karlsbad 22. Juli; Antwort 
Marschall's, 3. Aug. 1820. 
***) Fürst Hatzfeldt an Metternich, Karlsbad 10. Juli, an Bernstorff, 14. Juli 1820. 
#) Jordan's Bericht, Dresden 12. Nov. 1821.
	        
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