Auflockerung des mitteldeutschen Handelsvereins. 679
sonst ein unmittelbares Interesse an solchen Verhandlungen, sondern nur
das eine Interesse, „daß dadurch eine engere Verbindung zwischen den
deutschen Völkern begründet und durch diese ein neuer Segen über Deutsch—
land und dessen einzelne Staaten verbreitet werde. Wird dabei der
Grundsatz befolgt, solche gemeinschaftliche Maßregeln zu verabreden, wo—
durch nur in dem eigenen Gebiet bisher bestandene Hemmungen im
gegenseitigen Verhältniß zu einander aufgehoben und keine neuen zur
Störung des Verkehrs mit anderen Staaten angeordnet werden, so kann
sich Niemand über eine Vereinigung, welche auf einer solchen Grundlage
errichtet wird, beschweren. Jede solche Vereinigung bildet vielmehr den
Uebergang zu einer neuen; und in einer solchen praktisch fortschreitenden
Entwicklung, welche keinem feindseligen Princip Raum giebt, läßt sich
hoffen, daß allmählich das Problem einer gegenseitigen Freiheit des Ver-
kehrs zwischen den deutschen Staaten in dem größtmöglichen Umfange,
welchen überhaupt die Natur der Verhältnisse gestattet, gelöst werde.“.)
Hannover suchte noch einige unwahre Entschuldigungen vorzubringen, doch
allein mit dem Berliner Hofe zu verhandeln war dem Welfenstolze un-
möglich.
Sachsen und Kurhessen unterließen nunmehr jede Anfrage; indeß
konnte sich der Dresdner Hof eine Rechtfertigung seiner Handelspolitik
nicht versagen. Geh. Rath v. Könneritz — in späteren Jahren als Mi-
nister eine Säule der hochconservativen Partei — verfaßte eine Denk-
schrift im kursächsischen Curialstile und wiederholte darin die alten hundert-
mal widerlegten Anklagen gegen das preußische Zollsystem. Dann ver-
sicherte „man annoch fordersamst“: der mitteldeutsche Verein sei „eine
völkerrechtlich vollkommen statthafte und in der Staatengeschichte gar nicht
ungewöhnliche Uebereinkunft mehrerer souveräner Staaten, eine zur Rettung
der dem hiesigen Lande unentbehrlichen Nahrungszweige, des Fabrikwesens
und des Handels, nothwendig bedungene Maßregel“ — und sprach sein
Befremden aus, daß Preußen dieser unschuldigen Verbindung entgegen-
arbeite. Motz, von Eichhorn befragt, ob eine Verhandlung mit Sachsen
räthlich sei, erwiderte: „Sachsen gewinnt durch eine Zollvereinigung mit
Preußen in allen Beziehungen vorzugsweise, und Preußen kann dieselbe
mehr nur in politischer, weniger in finanzieller Beziehung wünschen. Auch
die politischen Vortheile sind mehr in der hierdurch geförderten Einigung
von Deutschland als in dem besonderen Anschluß von Sachsen an Preu-
ßen zu suchen. Sachsen kann freundlicher, rücksichtsvoller Verhandlungen
gewärtig sein, wenn es seine mitteldeutschen Verpflichtungen aufgiebt, deren
Dauer den Anschluß an das preußische Zollsystem geradezu verhindert.
Herr v. Könneritz gehört zu den beschränkten einseitigen Köpfen, deren
Belehrung, wenn man auch Zeit daran wenden wollte, ebenso unfruchtbar
—... — — — — — —
*) Das hannov. Cabinetsministerium an Bernstorff, 14. Aug., Antwort 31. Okt. 1829.