Preußische Bank. Friese. 81
Nur der neue Bankpräsident Friese verzweifelte nicht. Einer der
freiesten Köpfe aus Schrötter's ostpreußischer Beamtenschule, hatte Friese
einst unter Stein, unter Dohna, unter Hardenberg fast bei allen Ver—
waltungsreformen mitgewirkt, nachher als Mitglied von Stein's Central—
verwaltung die deutschen Kleinstaaten genau kennen gelernt, dann während
der Occupation das verwickelte Finanzwesen des Königreichs Sachsen geleitet
und soeben endlich die schwierige Auseinandersetzung mit dem Dresdener
Hofe zu Stande gebracht. Obwohl er nicht zu Hardenberg's engerem
Kreise gehörte, stand er doch den constitutionellen Plänen des Kanzlers
unter allen hohen Beamten am nächsten, er hoffte mit Zuversicht auf
das politische und wirthschaftliche Erstarken des Bürgerthums, das er als
den Kern der Nation betrachtete, und wollte an seinem Theile bei diesem
großen Umschwung mitwirken; er traute sich's zu, diese verkommene Bank
ihrem ursprünglichen volkswirthschaftlichen Berufe zurückzugeben. Bei
einiger Kühnheit hätte der Staat wohl wagen können, die Bank mit
einem Stammkapitale, das ihr immer gefehlt hatte, auszustatten, aber das
Mißtrauen gegen ihre Lebenskraft war noch unüberwindlich, und eine
Erhöhung der Staatsschuld schien nicht rathsam. Die Bank wurde also
vollständig von dem Finanzministerium abgesondert, zwar durch Staats—
beamte verwaltet, doch ausschließlich auf ihre eigenen Mittel angewiesen;
und nun galt es, ein Menschenalter hindurch ohne eigenes Vermögen zu
wirthschaften, mit einem Deficit, das dem Publikum streng verborgen
bleiben mußte; denn die Enthüllung des wirklichen Zustandes ihrer
sogenannten Aktiva wäre, in diesen ersten Jahren mindestens, ihr sicherer
Untergang gewesen.
Friese ließ sofort das geschlossene Lombardgeschäft wieder eröffnen,
knüpfte mit der neuen Corporation der Berliner Kaufmannschaft, die
soeben (1820) an der Stelle der beiden altväterischen Kaufmannsgilden
entstanden war, Geschäftsverbindungen an, ließ in den Provinzen nach
und nach neun Bankcontore und Commanditen errichten; er beschränkte
sich wesentlich auf bankmäßige Geschäfte, Depositen, Lombards, Wechsel—
discontirung, so daß die Bank ihre Forderungen jederzeit leicht realisiren
konnte, und wahrte ihr streng den Charakter einer Handelsanstalt. Da
die Seehandlung die Creditgeschäfte des Staates zu besorgen hatte, so
verweigerte die Bank dem Finanzminister grundsätzlich jeden Vorschuß und
stand mit ihm nur dadurch in Verbindung, daß sie zur Verstärkung ihrer
Baarvorräthe die Einziehung der Ueberschüsse aus den Staatskassen über-
nahm. Der Erfolg dieses neuen, klug und gewissenhaft geleiteten kauf-
männischen Verkehrs übertraf alle Erwartungen. Der Geschäftsumsatz
der Bank, der im Jahre 1818 noch nicht 44 Millionen betragen hatte,
überstieg im Jahre 1829 bereits 232 Millionen; in derselben Zeit hob
sich ihr Baarvorrath von 938,000 Thlr. auf 5,, Millionen und die Ge-
sammtsumme ihrer leicht realisirbaren Aktiva von etwas über 1 Mill.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. 11I. 6