Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

82 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. 
auf nahezu 13 Millionen. Die Unfertigkeit der verkommenen volkswirth- 
schaftlichen Zustände ward ihr freilich oft fühlbar. Ueberall in dem ver- 
armten Europa stand der Disconto sehr hoch, bis auf 10 Procent, und 
kaum irgendwo sprang er so plötzlich auf und nieder wie in Berlin, da die 
Bank durch die Armseligkeit ihrer Mittel gezwungen wurde, sich vorsichtig 
geschlossen zu halten. Im Jahre 1821 schwankte ihr Discont zwischen 
3 und 8, zuweilen in wenigen Tagen um 2 bis 3 Procent; erst sechs 
Jahre später war sie so weit erstarkt, daß sie sich selber einen unüberschreit- 
baren höchsten Discontosatz vorschreiben konnte. 
Noch im Jahre 1824 erboten sich die Rothschilds und einige andere 
große Firmen unter sehr verlockenden Bedingungen, ein Aktienunternehmen 
an der Stelle der preußischen Bank zu gründen; der König aber wurde 
durch Niebuhr über die Hintergedanken der Bankiers aufgeklärt und ver- 
warf den Plan, obgleich Wittgenstein und Bülow sich lebhaft dafür ver- 
wendeten. Nach und nach begann auch die Meinung der kaufmännischen 
Welt dem verrufenen Institute günstiger zu werden, da sich sein neuer 
Geschäftskreis zum Segen des Handels beständig erweiterte, und man 
hielt die Bank bereits für gerettet. In Wahrheit stand Alles anders. 
Derweil der neue Verkehr so günstigen Fortgang nahm, mußte Friese in 
aller Stille die verworrene Schuldenmasse aus dem „alten Verkehr“ der 
napoleonischen Zeiten abtragen — eine verzweifelte Arbeit, die jeden Ge- 
winn des neuen kaufmännischen Geschäfts unerbittlich verschlang und die 
Bank aus einer Bedrängniß in die andere stürzte. Zwar die Bayonner 
Convention war auf dem Wiener Congresse durch einen preußisch-russischen 
Vertrag förmlich aufgehoben worden. Aber wie nun die 10 Millionen 
Schulden eintreiben von den Grundherren des vormaligen Herzogthums 
Warschau, die fast allesammt weder zahlen konnten noch wollten? Schon 
in Posen und Westpreußen konnte Friese seine Forderungen nur unter 
schweren Verlusten durchsetzen, selbst die Zwangsversteigerung fruchtete 
nichts; da sich in den armen Landschaften keine Käufer fanden, so blieb 
nichts übrig, als einen Theil der verschuldeten Güter für die Bank selbst zu 
übernehmen und sie zu gelegener Zeit zu veräußern. Nun gar im König- 
reich Polen: welch ein endloser Streit mit feindseligen Schuldnern, feilen 
Gerichten und betrügerischen Anwälten! Die neue polnische Regierung zeigte 
sich dabei fast ebenso böswillig wie einst die sächsisch-warschauische. Auch 
hier mußte Friese große Gütercomplexe für die Bank ankaufen und schließ- 
lich noch froh sein, als er im Mai 1830 den unwillkommenen, kostspieligen 
Besitz um einen lächerlichen Preis an die polnische Regierung wieder 
verkauft hatte; denn unmittelbar nachher ward das unglückliche Polen 
durch einen neuen Aufstand abermals zerrüttet. 
Unter solchen Umständen gelang es zwar mit der äußersten Anstrengung 
bis zum Jahre 1828, die Schulden aus dem alten Verkehr bis auf 2 Mill. 
gänzlich abzutragen, aber das wirkliche Deficit der Bank betrug, als Friese
	        
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