Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

234 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland. 
man sich auch drehen und wenden mochte, das am 1. März 1832 in 
Kraft tretende neue badische Preßgesetz widersprach offenbar dem Bundes- 
rechte, das die Zensur verlangte. Der Widerspruch ward dadurch wahr- 
lich nicht gemildert, daß die Karlsruher Regierung im März 1832 die 
neuesten Bundesbeschlüsse veröffentlichte und zugleich erklärte, daneben 
solle ihr Preßgesetz — also das Gegenteil der bundesrechtlichen Vorschriften 
— in Geltung bleiben. Dem ehrlichen Großherzog war bei diesem zwei- 
deutigen Treiben übel zu Mute. Unter vier Augen beteuerte er dem 
preußischen Gesandten: auf Verlangen des Bundestags werde er das be- 
denkliche Gesetz gern abändern.*) Wie durfte er auch hoffen, eine so un- 
haltbare Stellung gegen den Willen der Gesamtheit der übrigen Bundes- 
staaten zu behaupten? 
Mittlerweile wiederholte Rotteck im Landtage seine schon seit Jahren 
festgehaltene Forderung, die ihm vor allem die Gunst des Landvolkes 
verschafft hatte, er verlangte die Aufhebung der Fronden und Zehnten. 
Der Antrag ergab sich notwendig aus den veränderten Zuständen der 
Landwirtschaft; aber wie radikal, wie parteiisch ward er begründet. Es 
war Deutschlands Glück und Ruhm, daß der Übergang in die neuen 
ländlichen Besitzverhältnisse sich bei uns, nach Preußens Vorgang, überall 
auf gesetzlichem Wege, durch billige Entschädigung der Berechtigten, nicht, 
wie in Frankreich und Spanien, durch Raub und Gewalt vollzogen hatte. 
Diesen schönen Vorzug seines Vaterlandes vermochte der Lehrer des Ver- 
nunftrechts nicht zu begreifen; er sah in den alten, durch langen Besitz- 
stand geheiligten grundherrlichen Rechten nichts als frevelhaftes Unrecht 
und fand es sehr sonderbar, daß die Deutschen bloß an eine Ablösung 
zu denken wagten. Nur als ein Zugeständnis an die deutsche Gutmütig- 
keit beantragte er eine unbillig niedrige Entschädigung und meinte traurig, 
„ein Franzose oder Überrheiner“ werde dies noch viel zu hoch finden. 
Dawider erhoben sich alsbald die in ihrem Vermögen schwer bedrohten 
Grundherren der ersten Kammer. Das Haus Löwenstein verwahrte am 
Bundestage wie am Karlsruher Hofe feierlich seine grundherrlichen Rechte. 
Die Minister aber gaben dem Drängen der zweiten Kammer nach; sie 
befanden sich wieder in arger Verlegenheit, zumal Türckheim, der vor 
Jahren die grundherrlichen Rechte des Adels lebhaft verteidigt hatte und 
jetzt doch fühlte, daß Baden nicht hinter den Nachbarländern zurückbleiben 
dürfe. *) Als die erste Kammer das Gesetz über die Ablösung des Neu- 
bruch-Zehntens verworfen hatte, da erhob sich Rotteck zornglühend: Der 
vereinte Wille der Regierung und des Volkes ist also gescheitert „an dem 
Veto einer Handvoll Junker!“ Nach dem Kodex seines Vernunftrechts 
war ja das Zweikammersystem nur eine verwerfliche, die Natur ver- 
  
*) Otterstedts Bericht, 28. Febr. 1832. 
**) Türckheim an Blittersdorff, 29. Sept. 1831.
	        
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