18 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltsriede.
näckig beteuerten die Radikalen, die Vertreter des souveränen Volks hätten
den König frei gewählt, obgleich er ein Bourbone sei; und in der Tat hatte
er die Volkssouveränität anerkannt und feierlich ausgesprochen, daß er einen
Vertrag, un pacte d'alliance mit der Nation geschlossen habe. Die neu—
gestaltete Verfassung redete nach altem Brauche noch von der Erblichkeit
der Krone; doch nachdem von den vier letzten Monarchen Frankreichs nur
einer friedlich auf seinem Throne gestorben war, hatte diese Vorschrift bloß
noch den Wert einer Redensart, und zum überfluß wurde die Charte aus—
drücklich „dem Mute und der Vaterlandsliebe der Nationalgarde und aller
französischen Bürger anvertraut“ — das will sagen: dieser König war
verantwortlich und konnte von Rechts wegen entthront werden, falls das
souveräne Volk die Charte für verletzt hielt. Er besaß die höchste Gewalt
nur auf Wohlverhalten, trotz des monarchischen Prunkes, der ihn umgab;
darum nannte Odilon Barrot den Bürgerkönig die beste der Republiken.
In so schiefer Stellung konnte selbst ein Fürst von schlichtem Grad—
sinn und reinem Namen dem Rufe der Zweizüngigkeit kaum entgehen;
wie viel weniger dieser vielgewandte Orleans, an dessen Hause noch der
schlimme Leumund des nichtswürdigen Regenten und des Bürgers Philipp
Egalité haftete. Ludwig Philipp war in den Grundsätzen der wissens—
stolzen Aufklärung erzogen und hatte nachher als General der Republik an
der Schlacht von Jemappes teilgenommen. Als er dann auswanderte,
da fügte es sein gutes Glück, daß er trotz wiederholter Bemühungen doch
keinen Einlaß in die Heere der Verbündeten erhielt; so konnte er sich mit
einigem Scheine späterhin rühmen, niemals im Lager der Feinde Frank-
reichs gefochten zu haben. In den Jahren der Verbannung sammelte er
auf weiten Wanderfahrten eine mannigfaltige Welt- und Menschenkennt—
nis, aber er entwuchs auch gänzlich den überlieferungen des königlichen
Hauses. Der Stolz des französischen Prinzen blieb ihm ebenso fremd
wie das dynastische Pflichtgefühl; die Macht der Geschichte, das tausend-
jährige Recht der Capetinger erweckte in dieser trockenen Seele gar keine
Ehrfurcht. Sobald die Stunde der Rückkehr schlug, war er als sorgsamer
Hausvater zunächst darauf bedacht, das ungeheure Hausvermögen der
Orleans, das gutenteils aus den Mieten der Spielhöllen im Palais
Royal entstanden war, zurückzugewinnen und seiner Familie auf alle Fälle
ein ruhiges Hauswesen zu sichern. Darum wendete er sich im Jahre 1821
insgeheim an Eugen Beauharnais und ließ ihm einen gegenseitigen Ver-
trag vorschlagen, kraft dessen jeder von beiden, falls ihn bei einer neuen
Revolution das Glück begünstigte, dem anderen ungestörten Aufenthalt in
Frankreich versprechen sollte; der Napoleonide zeigte sich jedoch ritterlicher,
als der Bourbone, er lehnte ab, weil er gegebenenfalls nur die Herr-
schaft Napoleons II. ausrufen, also keine bindende Zusage geben könne.)
*) An diesen Vorfall, dessen auch Du Casse (Mémoires du prince Eugene, X. 285).