370 IV. 6. Der Deutsche Zollverein.
und lange blieb das Schicksal des Vertrages zweifelhaft. Miegs Nach-
folger Lerchenfeld erkannte zwar, nachdem er die Papiere eingesehen, die
Notwendigkeit des Abschlusses, doch rückte er nicht recht mit der Sprache
heraus. Fürst Oettingen-Wallerstein vollends, der vielgewandte liberali-
sierende Minister bewies in ausführlicher Denkschrift: kein Zollverein ohne
OÖsterreich, die preußische Hegemonie ist Bayerns Verderben. Der preußische
Gesandte hielt schon alles für verloren und schrieb verzweifelnd: nur Eich-
horn selber könne noch retten. Darauf eilte Eichhorn sofort nach München
(Juli 1833), gewährte noch das letzte Zugeständnis, gab zu, daß kein
Provisorium stattfinden solle; seine gewinnende Freundlichkeit brachte in
wenigen Tagen alles ins reine. Jetzt brach des Königs gute Natur wieder
durch; er wünschte sich Glück zu der Wiederkehr der fridericianischen Tage,
ließ eine Denkmünze prägen auf das Gelingen seines eigensten Werkes und
sagte zu dem Nassauer Röntgen: „Osterreich ist ein abgeschlossener Staat,
mit dem wir wohl Handelsverträge, doch keinen Zollverein schließen können;
Preußen ist ein Blitz, der mitten durch Deutschland hindurchfährt.“
Kaum war die Krone Bayern gewonnen, so begann der Kampf mit
dem württembergischen Landtage. Die schwäbischen und badischen Libe-
ralen hatten sich zu Anfang des Jahres in Pforzheim versammelt und
dort beschlossen, dem vordringenden preußischen Absolutismus mannhaft
zu widerstehen. Die Schutzzöllner beweinten den nahen Untergang der
schwäbischen Industrie; die Partikularisten bewiesen, daß Württembergs
Absatzwege nach Frankfurt und der Schweiz, nicht nach dem Norden führten;
manche pessimistische Radikale gönnten dem verhaßten Ministerium nicht
ein Verdienst, das der Regierung allein gebührte, sie wünschten noch
weniger, daß ein wichtiger Grund der allgemeinen Unzufriedenheit beseitigt
werde. Die gemütlichen Leute wollten die geforderten Opfer nur einem
gesamtdeutschen Vereine bringen. Selbst den gemäßigten Liberalen schien
es hochbedenklich, einer absoluten Krone mittelbare Einwirkung auf den
württembergischen Haushalt zu gestatten. Zudem wurden die Kammern
nur zu einer Erklärung über den Vertrag, nicht zu förmlicher Geneh-
migung aufgefordert. Der Landtag empfand bitter seine Ohnmacht. König
Wilhelm setzte seinen Stolz darein, das Werk hinauszuführen; kein Zweifel,
er hätte auch ohne die Zustimmung der getreuen Stände den Vertrag
vollzogen und also den leeren Schein der schwäbischen Verfassungsherr-
lichkeit vor aller Welt erwiesen. Darum wollte selbst Paul Pfizer, der
Bewunderer Preußens sich nicht zur Genehmigung entschließen; wenn er
zustimmte, so verlor er jedes Ansehen unter den Parteigenossen, jede po-
litische Wirksamkeit in seiner Heimat. In solchen tragischen Widerspruch
war der süddeutsche Liberalismus geraten.) Endlich, im November ge-
*) So hat mir einst Fr. Notter die Beweggründe, welche seinen Freund Pfizer
bestimmten, erklärt.