Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

544 IV. 8. Stille Jahre. 
endlich ganz genaue Etats vorzulegen, damit die Preußen „auch ohne 
konstitutionelle Formen“ die wirkliche Lage ihres Staatshaushalts kennen 
lernten. Damals war die Reform an der Ängstlichkeit des Grafen Lottum 
gescheitert, und seit Alvensleben am Ruder stand, wagte das Finanzmini— 
sterium, zu Kühnes Verzweiflung, selbst nicht mehr auf seine wohlberech— 
tigte Forderung zurückzukommen. 
Und doch bestand durchaus kein Grund, mit der Wahrheit hinter dem 
Berge zu halten. In den Jahren von 1830 bis einschließlich 1840 be— 
trugen die außerordentlichen Ausgaben — außer den 39,28 Mill., welche 
die Mobilmachung der Revolutionsjahre verschlungen hatte — 27,8 Mill. 
Taler, wovon beinahe 15 Mill. für die Chausseebauten daraufgingen. 
Dies ergab, da Rußland die Verpflegung der übergetretenen Polen mit 
3,9 Mill. vergütete, insgesamt für elf Jahre einen außerordentlichen Auf- 
wand von 63222527 Taler. Die Summe war keineswegs bedenklich; 
denn unvermeidlich mußten sich die Bedürfnisse des Staatshaushalts all- 
mählich vermehren, weil der Verkehr wuchs und die Bevölkerung bis zum 
Jahre 1840 auf nahezu 15 Mill. Köpfe stieg. Der Ertrag der neuen 
Abgaben überschritt die Voranschläge des Budgets bei weitem, und die 
Generalstaatskasse deckte den größten Teil der außerordentlichen Aus- 
gaben (fast 41 Mill.) aus ihren baren Beständen: über 25 Mill. durch 
die Steuerüberschüsse, über 15 Mill. durch den Verkauf von Domänen 
und Grundzinsen. Außerdem wurden in diesen elf Jahren mehr als 
31 Mill. von der Staatsschuld getilgt.') Die Schuld verminderte sich in 
den Jahren 1820—33 von 217 auf 175 Mill., wovon 163 ½/ Mill. ver- 
zinslich; die verzinsliche Staatsschuld sank dann bis zum Jahre 1843 
weiter bis auf 138 ½ Mill., die Verzinsung von 9,3 auf 7,74 Mill. jähr- 
lich. *) Gleichwohl konnte sich Alvensleben in seiner bureaukratischen Angst- 
lichkeit nicht entschließen, diese durchaus günstigen Ergebnisse vollständig 
bekannt zu machen. Der veröffentlichte Etat für 1838 schloß in Einnahme 
und Ausgabe mit 52,681 Mill. netto ab; mit Zurechnung der Erhebungs- 
und Betriebskosten stellte sich also der Bruttobetrag der Ausgaben etwa 
auf 84 Mill. Niemand hielt diese Zahlen für ganz richtig; denn wer sollte 
glauben, daß sich die Ausgaben seit 1820 wirklich nur um 1,8 Mill. ver- 
mehrt hätten? . 
Selbst die Einheit der Finanzverwaltung, welche einst Motz nachs 
schweren Kämpfen durchgesetzt hatte, ging unter Alvensleben wieder ver- 
loren. Den strengen Hallerianern in der Umgebung des Kronprinzen war 
die Veräußerung entbehrlicher Domänen schon längst ein Dorn im Auge, 
obgleich Motz und Maassen dabei sehr behutsam verfuhren und der Ge- 
  
*) Übersicht über die außerordentlichen Ausgaben d. J. 1830—40, von Rother, 
Alvensleben, Voß, 11. Febr. 1841. 
*“) Rother, Denkschrift über die Verzinsung der Staatsschuld, 16. Februar 1841. 
Übersicht über die Staatsschuld 1833—40, für die Landtagsmitglieder.
	        
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