Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

616 IV. 8. Stille Jahre. 
selbst Wache zu halten;“ und du Thil unterstützte ihn mit voller Kraft. 
Der kluge Minister hatte sich in dem ewigen Kampfe mit den Liberalen 
schon dermaßen verhärtet, daß er ihnen schlechterdings nichts mehr glauben 
wollte. Er schilderte Georgi dem preußischen Geschäftsträger als einen 
schändlich verleumdeten Märtyrer der guten Sache; die beiden Gerichts— 
ärzte hätten sich nur durch die liberalen Abgeordneten verführen lassen, 
ein unwahres Gutachten über Georgis Säuferkrankheit abzugeben.“) Noch 
mehr, als sein Schützling die Stirn hatte, sich um einen Sitz in der 
Kammer zu bewerben, gewährte er ihm den stillen Beistand der Behörden. 
Georgi wurde gewählt, und Gutzkow sang: 
Deutschland, glückliches Land, wo der Wahnsinn sitzt zu Gerichte, 
Und in dem ständischen Saal taumelnd ein Trunkenbold lallt! 
Die Inschrift auf Weidigs Grab ließen die Behörden verkitten, weil 
sie den Toten als heiligen Streiter rühmte. Unbelehrbar blieb du Thil 
bei seiner Ansicht. Noch lange Jahre nachher schrieb er in seinen Denk— 
würdigkeiten, als er Weidigs wütenden Anfall auf Georgi erwähnt hatte: 
„Man kann sehen, was der Parteigeist bewirkt, wenn man weiß, daß jenes 
Ungeheuer, das sich am Ende selbst entleibt hat, als Märtyrer betrachtet, fast 
vergöttert worden ist, und daß man ihm ein Denkmal gesetzt hat.“ Aber 
mit solchem Hochmut bureaukratischer Selbstgerechtigkeit ließ sich der blu— 
tige Schatten nicht bannen. Das Gerücht ließ nicht ab, die Schriften 
über den gräßlichen Vorgang mehrten sich; die öffentliche Meinung forderte 
stürmisch, das Geheimnis müsse gänzlich aufgedeckt werden. Als nun 
in Kurhessen eine geheime politische Untersuchung gegen Sylvester Jordan 
eingeleitet wurde, erst 1839, eben zu der Zeit, da die Demagogenverfolgung 
überall sonst einzuschlafen begann, da erzählte man sich bald, auch dieser 
Volksmann werde mit der gleichen Grausamkeit behandelt. Der Unwille 
ward allgemein. Die beiden Prozesse Weidig und Jordan sollten in der 
deutschen Geschichte eine große Bedeutung erlangen, sie gaben dem ge— 
heimen Strafverfahren den Todesstoß. — 
  
Wie konnten in so schwüler Luft Vertrauen und Frieden gedeihen! 
Die Verwaltung im Großherzogtum Hessen arbeitete unter du Thils ein— 
sichtiger Leitung vortrefflich. Für Schulwesen und Straßenbau geschah 
sehr viel; der Ertrag des landesfürstlichen Kammergutes vermehrte sich 
beträchtlich, obgleich ein Drittel der Domänen an den Staat abgetreten 
war. Die Ablösung der bäuerlichen Lasten wurde so gerecht durchgeführt, 
daß selbst die Mediatisierten, die überall sonst in Süddeutschland über die 
neuen Agrargesetze klagten, hier allein zufrieden waren; die Solms und 
— — 
*) Sydows Berichte, 23. Aug., 7. Nov. 1837.
	        
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