688 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
die Regel bilden, ohne Rücksicht auf die Erziehung der Kinder, und nur
wenn die katholische Braut einen mutwilligen, sträflichen Leichtsinn zeigte
— „also vernünftigerweise niemals“, wie Bunsen frohlockend schrieb —
mußte sich der Priester auf die passive Assistenz beschränken. Für diese
großen, noch keinem Staate gewährten Zugeständnisse gab die Krone ein
Versprechen, das kaum für eine Gegenleistung gelten konnte, weil König
und Papst sich darüber schon seit Jahren geeinigt hatten. Sie verhieß, die
bürgerliche Eheschließung, die dem Monarchen längst ein Greuel war, auf
dem linken Rheinufer abzuschaffen; und in der Tat legte sie im Frühjahr
1837 dem rheinischen Provinziallandtage einen Gesetzentwurf dieses Inhalts
vor, die Stände beanstandeten ihn aber, zu Friedrich Wilhelms großem
Leidwesen, weil die bürgerlichen und die kirchlichen Ehegesetze noch nicht
im Einklang stünden. Der Erzbischof übernahm, seine Suffraganen für
den geheimen Vertrag zu gewinnen. Er brauchte in Paderborn zwei, in
Münster drei Tage, um die kirchlichen Bedenken des Bischofs zu über—
winden; auch der greise Bischof Hommer von Trier stimmte zu, und der
Abrede gemäß erließen die vier Prälaten hierauf gleichlautende Instruk—
tionen an ihre Generalvikariate. Spiegel hoffte auf die ausgleichende Macht
der Zeit; er wollte die neue, milde übung sich erst eine Weile friedlich
einbürgern lassen und dann zur guten Stunde den Papst um nachsichtige
Genehmigung bitten. Er starb aber schon am 2. Aug. 1835, und nur
wenn sich ein gleichgesinnter Nachfolger fand, konnte der so mühsam, durch
so zweideutige Mittel gewahrte Friede zwischen Staat und Kirche erhalten
bleiben.
Im Kultusministerium ahnte man gar nichts von dem Ernst der
Lage. Der Referent für die katholischen Kirchensachen, Geh. Rat Schmed-
ding, war unzweifelhaft ein preußischer Patriot, er hatte während der napo-
leonischen Zeiten lockende Einladungen der bergischen Regierung ausge-
schlagen, um im Dienste seines Königs von der Ems nach dem Pregel zu
gehen, was dem Westfalen nicht leicht fiel. Er bezweifelte nie, daß die
Staatsgewalt souverän, der reine Dualismus von Staat und Kirche
unmöglich sei, und bemühte sich eifrig, die kirchliche Einsegnung aller ge-
mischten Ehen bei dem Klerus durchzusetzen.“) Gleichwohl trat er mit den
Jahren der mächtig aufsteigenden ultramontanen Partei immer näher.
Schmedding verabscheute die vornehmen geistlichen Lebemänner der alten
Generation als „ein Geschmeiß verweltlichter Pfaffen“; auch die Hermesianer
erschienen ihm bald verdächtig, nur in den Lehren der Tübinger katholischen
Schule, die soeben in Möhlers Symbolik ihr reifstes Werk geschaffen hatte,
fand er noch unverfälschtechristliche Wahrheit. Der Königbetrachtetehn nicht
ohne Argwohn und überging ihn bei den üblichen Auszeichnungen.“) Um
*) Schmedding, Promemoria über die gemischten Ehen, 12. Mai 1830.
*“) Schmedding an Altenstein, 5. Dez. 1819, 23. Mai 1821, 22. Jan. 1826.