710 IV. 10. Der Kölnische Bischofsstreit.
Ministerium fast allesamt in tief unterwürfigen Eingaben, daß sie den
Weisungen ihres Oberhirten folgen müßten. Unter den Deutschen aber
konnte Dunins Schicksal um so weniger Teilnahme erwecken, da er in
den süddeutschen Zeitungen einen höchst unziemlichen Federkrieg gegen die
Regierung unternommen hatte, und die polnischen Grafen Raczynski,
Grabowski, Lubinski — natürlich nur als harmlose einzelne, nicht nach
Verabredung — jetzt in der Hauptstadt erschienen, um seine Befreiung
zu erbitten. Seine Amtsbrüder freilich, die Bischöfe Hatten und Erme-
land und Sedlag von Culm gerieten in peinliche Verlegenheit; sie waren
beide gute Preußen und bemühten sich auch jetzt noch redlich, den kirch-
lichen Frieden aufrecht zu erhalten, während das blindgläubige Landvolk
der Marienburger Gegend, von den Kaplänen aufgeregt, schon für den
nächsten Karfreitag die Wiederherstellung Polens erwartete. Aber nach-
dem der Papst so vernehmlich gesprochen hatte und der Erzbischof von
Posen vorangegangen war, konnten sie nicht zurückbleiben, denn ein zwei-
faches Eherecht in der preußischen Monarchie war offenbar unmöglich.
Beide verlangten in Rundschreiben an ihren Klerus, daß bei der Ein-
segnung gemischter Ehen das päpstliche Breve befolgt werden müsse, und
die Regierung sah sich genötigt, auch diese Hirtenbriefe für unverbindlich
zu erklären.-)
Unter allen Bischöfen der Monarchie war nur noch einer, der das
Gesetz vom Jahre 1803 und die seitdem bestehende milde Übung auch
fernerhin anerkennen wollte: der Fürstbischof von Breslau, Graf Sedlnitzky,
ein edler Mann von milden, aristokratischen Formen, feingebildet, menschen-
freundlich, wohltätig, in allem ein Muster christlicher Liebe, aber bei wei-
tem nicht stark genug, um den Kampf mit dem römischen Stuhle aufzu-
nehmen. Er stand schon damals den Anschauungen der evangelischen Kirche
so nahe, daß die strengen Katholiken ihn kaum noch zu den Ihrigen rechnen
wollten. Sobald er sich weigerte, dem Beispiele der anderen Bischöfe zu
folgen, ward er bei der Kurie insgeheim angeschwärzt. Darauf sendete ihm
der Papst, das königliche Placet umgehend, durch die Vermittlung zweier vor-
nehmer Damen der Provinz ein höchst ungnädiges Schreiben, Gregor tadelte
den Fürstbischof hart, weil er die Rechte der Kirche saumselig und gleich-
sam schläfrig verteidigt habe, und forderte ihn auf, das durch seine Schuld
dem gläubigen Volke zugefügte Leid zu sühnen. Friedfertig und ganz ohne
Ehrgeiz, wie er immer gewesen, wollte Sedlnitzky jetzt sogleich seine Würde
niederlegen; nur auf des Königs ausdrücklichen Befehl vertagte er diesen
Entschluß noch'") und suchte sich vor dem heiligen Stuhle zu rechtfertigen
(Juli 1839). Zur Antwort kam im Mai 1840 ein zweites noch schärferes
*) Altenstein an Bischof Hatten, 5. Juli 1838. Schöns Berichte, 13. April, 5. Mai,
26. Juli, 30. Oktober 1838, 19. April 1839.
*“) Kabinettsordre an Sedlnitzky, 7. Juli 1839.