XX. Preußen und das Bundeskriegswesen 1831. 743
nur im Verein mit Osterreich wollte und konnte der Berliner Hof den Krieg gegen
Frankreich führen, und da der alte Kaiserstaat trotz seiner augenblicklichen Schwäche doch
ein schwereres Gewicht in die Wagschale warf als die ganz ungerüsteten Kleinstaaten, so
mußte Kaiser Franz es wohl als eine Kränkung empfinden, daß Preußen über seinen
Kopf hinweg mit den Süddeutschen unterhandelte. Die preußischen Generale selbst waren
über diese Frage verschiedener Meinung. Der Chef des Generalstabs, General Krauseneck,
der den liberalen Ideen nahe stand, erhoffte irgend ein unbestimmtes politisches Glück
von dem Bunde des aufgeklärten Preußens mit den konstitutionellen Südstaaten. General
Clausewitz dagegen, der immer zuerst die europäische Politik ins Auge faßte, meinte ent-
schieden: zunächst müsse man mit dem mächtigen Osterreich ins Reine gelangen, dann
würden die Kleinen von selber kommen. Von einem tiefen grundsätzlichen Gegensatze
war bei allen diesen kleinen Mißhelligkeiten gar nicht die Rede. Daß Preußen sich unter
der Hand die militärische Hegemonie erringen wollte, argwöhnte in Wien niemand —
aus dem einfachen Grunde, weil der Berliner Hof solche Absichten nicht hegte. Selbst
in den vertrauten Briefen der österreichischen Staatsmänner über diese militärischen Ver-
handlungen findet sich kein Wort des Argers, das sich nur von fern vergleichen ließe mit
den leidenschaftlichen und wohlbegreiflichen Zornreden, welche Metternich über die
preußische Zollvereinspolitik auszuschütten pflegte. Auch Gentz klagt vor seinem getreuen
Rothschild nur über die Formfehler, die Rücksichtslosigkeit des preußischen Verfahrens.
Man war verstimmt, weil Preußen vorangeschritten war, und suchte jetzt den Vorsprung
wieder einzuholen.
Im April kehrte General Röder aus Wien heim, ohne einen Abschluß erreicht zu
haben. Kaiser Franz gab ihm einen von Zärtlichkeiten überströmenden Brief an den König
mit auf den Weg (2. April). Darin dankte er dem Könige für das Vertrauen, das
ihm durch Röders Sendung erwiesen sei, und fuhr fort: II n’est pas une de mes
pensées du’Elle ne connaisse, tont Comme fF’ai le sentiment de ne pas me tromper
sur aucune des Siennes. Plus les dangers du jour sont grands, plus je Suis
convaincu qdue le Salut encore possible ne peut se trouver et ne se trouvera
due dans l’union la plus intime et T’union la plus franche et la plus compléte
entre nous deux. Der Zweck dieser Beteuerungen war natürlich, den König zu mahnen,
daß er sich zuerst mit dem alten Herzensfreunde verständigen möge. In ähnlichem Sinne
schrieb Metternich. Zugleich überbrachte Fürst Schönburg, der nunmehr endlich auf seinen
Posten zurückkehrte, den süddeutschen Höfen die Einladung zu vertraulichen militärischen
Beratungen in Wien. König Ludwig aber lehnte das Ansinnen rundweg ab.
In Preußen ließ man sich durch diese Anzeichen österreichischer Empfindlichkeit vorerst
nicht stören; war man doch ganz offen und ohne jede Feindseligkeit gegen die Hofburg
verfahren. Als General Witzleben am 1. Juli die Reiseberichte Röders und Rühle's
dem Auswärtigen Amte übersendete, sagte er mit warmen Worten, Preußen müsse das
Vertrauen unserer süddeutschen Brüder largement erwidern, das wahre deutsche Interesse
werde allemal auch ein preußisches sein, — und schloß arglos: „Es leidet auch keinen
Zweifel, daß man sich darüber mit Osterreich leicht wird verständigen können.“ Am
15. August faßte Bernstorff sodann, in zwei Ministerialschreiben an seine süddeutschen
Gesandtschaften, die Ergebnisse von Rühles Sendung zusammen und schlug vor, zur
endgültigen Vereinbarung möge in Wien, Berlin oder Würzburg, am besten wohl in
Bayreuth, eine Konferenz von Offizieren zusammentreten; Osterreich, Preußen, Bayern
und vielleicht auch noch einige Offiziere der kleineren Staaten sollten daran teilnehmen.
Am 21. August wurde auch Österreich (durch Weisung an Maltzan) eingeladen. Der
Minister hoffte also offenbar, Osterreich würde sich den Verabredungen, welche Rühle
mit den süddeutschen Höfen getroffen hatte, freundschaftlich fügen und die Aufstellung
von drei Heeren bewilligen.
Aber in diesen nämlichen Augusttagen hatte sich in der Stille schon eine neue
Wendung vorbereitet. Als der König im Teplitzer Bade weilte, besuchte ihn Hofrat