Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

94 V. 2. Die Kriegsgefahr. 
dem guten Willen des Wiener Hofes vertraue, also nur unter Preußens 
Führung kämpfen wolle.“) Graf Bismarck, der früherhin als Bona— 
partist verrufene württembergische Gesandte in Berlin, sprach jetzt be— 
geistert von dem Nationalkriege und drängte die Preußen zu raschem 
Handeln. König Ludwig von Bayern, der sich noch kürzlich, während 
des Kölner Bischofsstreites so gehässig gegen Preußen gezeigt hatte, erschien 
schon seit Jahresfrist wie verwandelt. Er merkte, daß er zu weit ge- 
gangen war, denn die für Bayern so überaus vorteilhaften Zollvereins- 
verträge liefen nächstens ab. Immer wieder beteuerte er jetzt dem preu- 
ßischen Gesandten: ich bin stets für Preußen gewesen und nur scheinbar 
von diesem Systeme abgewichen; noch brünstiger versicherte er seine Be- 
geisterung für den Zollverein — was den alten König Friedrich Wilhelm 
zu der trockenen Bemerkung veranlaßte: „das glaube ich wohl, da Bayern 
dabei so viel gewinnt, als Preußen verliert.“““) Nun vollends, da sein 
geliebter Schwager den preußischen Thron bestiegen hatte, sang der 
Wittelsbacher hochbegeistert: 
Herrlicher geht die Sonne jetzt auf, wird glänzend uns scheinen, 
Liebend belebender Kraft, Preußen und Deutschland zum Heil. 
Er schien jetzt ganz in der preußischen Politik aufzugehen, überhäufte 
Radowitz mit Ehren und gefiel sich darin, den Grafen Dönhoff vor den 
Augen des französischen Gesandten geflissentlich auszuzeichnen.) Auch 
in Hannover fand Radowitz warmen Empfang. Der alte Welfe war 
der erste der Bundesfürsten, der die Pferdeausfuhr nach Frankreich ver- 
bot und dadurch Preußen, nachher auch den Deutschen Bund zur Nach- 
folge zwang.“) 
Doch was leisteten die kleinen Höfe, die also von patriotischen 
Worten überflossen, für die Verteidigung des Vaterlandes? Unglaublich, 
wie dies neue Jahrzehnt konstitutioneller Kammerherrlichkeit die Wehr- 
kraft des deutschen Südens von Grund aus zerstört hatte. In Bayern 
zählte die Kompagnie auf Kriegsfuß 172 Mann, davon wurden 62 Mann 
gar nicht eingestellt; von den also verbleibenden 110 beurlaubte man 
nach der kurzen Exerzierzeit stets 85 Mann, so daß ein Infanteriebataillon 
während der längsten Zeit des Jahres 100 (Mißtrauische behaupteten 
sogar: nur 60) Mann unter der Fahne behielt. Und angesichts solcher 
Zustände meinte König Ludwig schon ein Großes zu tun, als er wegen 
der Kriegsgefahr zwei Batterien auf Kriegsfuß setzen und für sein ganzes 
Heer etwa 250 Pferde, statt der fehlenden 5000, ankaufen ließ.) Er 
*) Berichte von Rochow, 14. Dez., von Otterstedt 17. 21. Dez. 1840. 
**) Randbemerkung des Königs zu Dönhoffs Bericht v. 28. März 1840. 
*“) Dönhoffs Berichte, 15. Nov., 5. Dez. 1840. 
) Bergers Berichte 27. 29. Dez. 1840 HB. Febr. 1841. 
1) Bericht des Leg. Sekr. v. Canitz München 22. Okt. Dönhoffs Bericht 30. Nov. 
1810.
	        
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