98 V. 2. Die Kriegsgefahr.
die Intelligenz des Volksstammes ankommt und „die diesseitige Infanterie,
wenn sie auch wenig Paradedressur haben mag, doch desto felddiensttüch-
tiger erscheint.“) Nicht einmal zu gemeinsamen Vorschriften für den
Wachtdienst und den militärischen Gruß wollte sich der Bundestag ver-
stehen.
Nachdem man sich also mit Müh und Not über einen möglichst
inhaltlosen Beschluß geeinigt hatte, begann alsbald ein neuer Zank wegen
der Frage, welche Staaten die Bundesinspektoren stellen sollten. König
Wilhelm von Württemberg hatte sehr lange widerstrebt und sich erst durch
das Zureden seines alten Waffengefährten FM. Latour davon überzeugen
lassen, daß seiner Souveränität keine Gefahr drohe. Indes wollte er seine
Schwaben weder durch Osterreich noch durch Hannover mustern lassen,
weil er den alten tiefen Groll gegen die Hofburg noch nicht verwunden
hatte und mit dem verhaßten Welfenkönige noch immer um den Vorrang
stritt. Er erzwang auch, daß statt des Hannoveraners ein dänischer
General nach Stuttgart kam; den Osterreicher aber erließ man ihm nicht,
und er rächte sich nach seiner Weise, indem er den k. k. Feldmarschall-
leutnant Sunstenau mit ausgesuchter Grobheit behandelte.)
Auch dieser Streit hörte endlich auf, und jeder der zehn Inspektions-
bezirke wurde wirklich von drei Generalen anderer Bundesstaaten besichtigt.
Als aber die Berichte der Inspektoren einliefen, da zeigte sich's mit er-
schreckender Klarheit, wie die große Lüge dieser Bundesverfassung alles,
was mit ihr in Berührung kam, ansteckte und sogar die sprichwörtliche Ehr-
lichkeit des deutschen Offizierstandes verdarb. Die inspizierenden Generale,
unter denen sich viele Prinzen befanden, waren durch mannigfache poli-
tische Rücksichten beengt; die meisten dachten auch mit stiller Angst an
den Jammer ihres heimatlichen Heerwesens und verfuhren wie die Krähen,
sie urteilten sanftmütig, um nicht ihr eigenes engeres Vaterland hartem
Tadel auszusetzen. Sogar die preußischen Generale, die in den Klein-
staaten durch ihre strenge Wachsamkeit und den Freimut ihrer Rügen
überall Schrecken erregten, sprachen in den amtlichen Berichten doch bei
weitem nicht so scharf wie in ihren vertrauten Briefen. Daher lobte
die Bundesmilitärkommission, als sie nach fast zwei Jahren (Juli 1843)
über das Gesamtergebnis der Inspektion berichtete, mit warmen Worten
„den echt föderativen Geist“ der Regierungen und versicherte, es seien
„die Armeekorps zum größeren Teil in ganz vollkommen kriegsver-
fassungsmäßigem Stande“; der preußische Bundesgesandte aber bemerkte
sarkastisch: zu einer zweiten Inspektion wird sich der Bundestag wohl
schwerlich entschließen, da ja diese erste fast gar keine Mängel im Bundes-
heere aufgefunden hat.**) Wer zwischen den Zeilen der höflichen Be-
*) Sydows Bericht, 18. Juni 1841.
*) Berichte von Rochow, 2. Okt., von Maltzan, Okt. 1841.
**) Bülows Bericht, 15. Okt. 1841.