102 V. 2. Die Kriegsgefahr.
Nachfolger brachte die Sache vor den Bundestag. Die kriegerische Stim—
mung des Augenblicks geschickt benutzend, ließ der neue König den un-
ermüdlichen Radowitz noch einmal an den süddeutschen Höfen umherreisen
und versprach hochherzig, zu den noch bei Amschel Rothschild aufbe-
wahrten französischen Kontributionsgeldern einen beträchtlichen Zuschuß
zu leisten. Weil die für den Bau der vierten Bundesfestung bestimmten
20 Mill. Fr. französischer Kontributionsgelder voraussichtlich für zwei
Festungen nicht ausreichten, so erklärte er sich bereit, einen nicht unbedeu-
tenden Beitrag (noch gegen 10 Mill. Fr.) zu zahlen, obgleich Preußen be-
reits die niederrheinischen Festungen, gutenteils aus seinen eigenen Mit-
teln, erbaut hatte. Also bewirkte er, daß die Bundesversammlung am
26. März 1841 endlich den Bau beider Festungen beschloß. Ulm sollte
als süddeutscher Hauptwaffenplatz dienen, Rastatt nur als Verbindungs-
und Grenzfestung, aber zugleich auch als Waffenplatz für das achte Bundes-
korps, obwohl bisher noch nie ein Staat auf den wundersamen Gedanken
geraten war, seine Militärvorräte in einer Grenzfestung unterzubringen.
Nur für ein solches, den Ansprüchen aller zusagendes Kompromiß konnte
man die Mehrheit gewinnen. König Friedrich Wilhelm war überglücklich
und ließ der Versammlung seine Freude über ihre föderative Gesinnung
aussprechen. Geh. Rat v. Sydow aber, der nach dem Tode des Generals
Schöler die Geschäfte der deutschen Bundesgesandtschaft führte, sagte weh-
mütig voraus: „Auch die diesjährige Arbeitszeit wird ganz vorübergehen,
ohne daß man in Ulm oder Rastatt eine Schaufel bewegt.“ ?)
Er kannte seine Leute. Schon bei der Abstimmung hatte Herr v. Mieg
einen der beliebten bayrischen Vorbehalte gestellt, da „die deutsch-patriotische
Gesinnung“, welche König Ludwig bei dem Bau von Germersheim bewährt
habe, besondere Rücksichten verdiene.**) Bald darauf verlangte er nach-
drücklich, der Gouverneur von Ulm müsse abwechselnd von Bayern und
von Württemberg ernannt werden; denn die alte Reichsstadt selbst war
württembergisch, das kleine Neu-Ulm auf dem rechten Donauufer bayrisch.
Dawider der Schwabenkönig hochentrüstet: er habe schon genug Opfer
gebracht, indem er seine gute Stadt zur Bundesfestung hergegeben. Also
entspann sich zwischen diesen beiden Königen, welche die liberale Partei
vor Zeiten als die Bannerträger der nationalen Einheit gefeiert hatte,
ein grimmiger Zank um das Kommando einer Festung, die noch gar
nicht gebaut war. Dies Schauspiel freundnachbarlicher Eintracht ent-
faltete seinen ganzen Reiz erst, als Mieg eine Zeitlang die württem-
bergische Stimme führte und mithin genötigt war, sich selber die schwä-
bischen Anzüglichkeiten vor dem Bundestage feierlich vorzulesen. Ein
voreiliger Bundesbeschluß, erklärte Württemberg, könne die Verständigung
*) Sydows Bericht, 22. Jan. 1841.
**) Sydows Bericht, 27. März 1841.