Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

122 V. 2. Die Kriegsgefahr. 
folger der Apostel, ihr Amt als das wahrhaft katholische ansah, und gern 
war er bereit, die Hälfte der Kosten, ein Kapital von 15 000 Kx für dies 
anglikanische Bistum zu zahlen, wenn nur die englische Kirche der preu- 
ßischen „eine schwesterliche Stellung“ gestatten wolle. 
Mit diesen Aufträgen wurde Bunsen im Sommer 1841, als die 
orientalische Verwicklung eben zu Ende ging, nach London gesendet, und 
kühner noch als einst auf dem Kapitole erhoben sich jetzt die Hoffnungen 
des diplomatischen Theologen. Er sah die Arche der Kirche schon auf 
ihrem Ararat gelandet, die Christenheit im katholischen Apostolate wieder 
vereinigt, das jüdische Volk in seiner Heimat für den christlichen Glauben 
gewonnen und dadurch den Anfang gemacht zur Herstellung Israels — 
und das alles durch die jugendliche Kraft der evangelischen Kirche, denn 
„der Tod der beiden alten Kirchen“, so sagte er mit gewohnter Zuversicht, 
„ist nirgends sichtbarer als im gelobten Lande“. Der König selbst hielt 
für nötig, diese überschwenglichen Erwartungen etwas zu dämpfen; er 
meinte, für jetzt wäre es genug, wenn die Evangelischen den Türken gegen- 
über sich durch ein sichtbares Oberhaupt deckten, wenn eine evangelisch- 
deutsche Zunge sich im Oriente zusammenfände und diese evangelische 
Kirche vielleicht den Mittelpunkt bildete für die Juden-Christen. Palmer- 
ston aber empfing Bunsens Vorschläge zunächst mit Befremden. Als 
echter Brite witterte er böse Hintergedanken, da so plötzlich Irus kam, 
den Krösus zu beschenken; denn so stark der konfessionelle Ehrgeiz des 
Königs, ebenso schwach war der nationale. Nur die Machtstellung der 
evangelischen Gesamtheit lag ihm am Herzen, für seine preußische Landes- 
kirche forderte er gar nichts. Er ergab sich darein, daß die englische 
Staatskirche die in Preußen ordinierten Geistlichen nicht anerkannte, wäh- 
rend die preußische Kirche die anglikanische Ordination unbedenklich als 
rechtsgültig ansah; nur für sich persönlich als den Mitstifter forderte er 
das Recht, abwechselnd mit der Königin von England den Bischof von 
Jerusalem zu ernennen. 
Eine so überaus bescheidene schwesterliche Stellung konnte selbst der 
Erzbischof von Canterbury, der anfangs mit pharisäischem Dünkel über 
„die minder vollkommenen Einrichtungen“ des festländischen Protestantis- 
mus sprach, der deutschen evangelischen Kirche unmöglich versagen; waren 
doch zwei Deutsche, Nicolaysen und Pieritz, die ersten Bahnbrecher der 
Judenmission in Palästina und auch sonst überall in Vorderasien deutsch- 
cvangelische Missionäre tätig. Zum Glück eiferten Pusey, Newman, alle 
die fanatischen Kryptokatholiken unter den Anglikanern lebhaft wider die 
Pläne des Königs, und eben dieser Zorn der verhaßten Puseyiten-Partei 
ließ der öffentlichen Meinung die Annäherung an das ungläubige Deutsch- 
land minder verdächtig erscheinen. 
Im November 1841 wurde der erste evangelische Bischof von Jeru- 
salem durch den Erzbischof von Canterbury geweiht, ein Breslauer Jude,
	        
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