Flottwells Denlschrift. 149
im Palaste Radziwill umhergetragen wurden, und beteuerte kleinlaut, schon
bisher seien diese Güter auch an polnische Erwerber verkauft worden, was
aber nur in ganz seltenen Ausnahmefällen geschehen war;*) fortan, so
verhieß er, würde jeder Unterschied zwischen den beiden Nationen hinweg—
fallen. Wie sollte solche Nachgiebigkeit auf die Adelskreise wirken, deren
Damen bei der Verhaftung Dunins Trauerkleider angelegt hatten, um
sie beim Tode des alten Königs schleunigst wieder auszuziehen!
Mittlerweile verließ Flottwell das Großherzogtum und übersandte
dem Monarchen (15. März) noch eine Denkschrift über seine zehnjährige
Verwaltung, ein herrliches Zeugnis für den Freimut, die Einsicht, die
Tatkraft des alten Beamtentums. Ganz unumwunden sprach er hier
aus, um der menschlichen Gesittung willen hätte er die deutsche Bildung
befördert, die dem preußischen Staatsleben widerstrebenden polnischen Ge—
wohnheiten zu bekämpfen gesucht; dann schilderte er mit gerechtem Selbst—
gefühle, was alles in dieser schönsten Zeit der Posener Landesgeschichte
geleistet worden. Wie nachdrücklich hatte vor wenigen Jahren der alte
König seine getreuen Beamten belobt, als Flottwell ihm nachgewiesen,
die scheinbare Zunahme der Vergehen in der Provinz sei nicht ein Zeichen
wachsender Verwilderung, sondern ein Ergebnis des wachsamen Kampfes,
welchen die neugebildeten dreißig Land- und Stadtgerichte mitsamt den
neuen Distrikts-Kommissären wider die polnische Gesetzlosigkeit führten. So
einfach vermochte der Sohn nicht zu handeln; seine Gutherzigkeit und
seine Neigung für das Absonderliche verwickelten ihn stets in Widersprüche,
welche den Verdacht der Falschheit hervorriefen. Er dankte dem scheiden—
den Oberpräsidenten aufs wärmste für den Bericht, wie für seine kräftige
patriotische Verwaltung, und verlieh ihm einen hohen Orden.**) Die pol—
nischen Edelleute murrten, denn Flottwells Denkschrift ward ihnen, ver—
mutlich aus den befreundeten Hofkreisen, bald verraten und erschien allen
wie das frechste Selbstbekenntnis deutscher Zwingherrschaft. Doch zur
nämlichen Zeit erklärte Friedrich Wilhelm dem neuen Oberpräsidenten
Grafen Arnim-Boitzenburg seine bestimmte Absicht, dies soeben belobte
alte Verwaltungssystem aufzugeben.
Er wünschte womöglich alle Oberpräsidentenstellen der Monarchie
mit vornehmen Grundherren zu besetzen, die nach der Weise englischer
Lordleutnants den Adel der Landschaft in ihrem gastfreien Hause versammeln
sollten. Da das durchaus in demokratischen Sitten aufgewachsene preu—
ßische Volk wohl dem königlichen Beamten, doch keineswegs dem Edelmanne
Ehrerbietung zu zeigen pflegte, so mußte dieser Plan schon in anderen
Provinzen auf manches Hemmnis stoßen. Um wie viel mehr in Posen,
wo nur der Adel und der Klerus unzuverlässig, die Mehrzahl der kleinen
*) S. o. IV. 558.
**) Kabinettsordre an Flottwell, 11. Mai 1841.