156 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
den König, ihm die Arbeiten der Gesetzrevision zu lassen, da ihm „Gott
diese Kräfte ungeschwächt erhalten habe“.)
Alles vergeblich. Der König hatte die Stelle bereits seinem Freunde
Savigny zugedacht und verlangte von diesem Vorschläge für eine zweck-
mäßige Einrichtung der Gesetzrevision. Die Denkschrift, welche Savigny
darauf (im Januar 1842) dem Monarchen überreichte, enthielt in vornehmer,
gemessener Form eine entschiedene Absage der neuen historischen Rechts-
lehre an die Wetzlarische Gelahrtheit des alten Jahrhunderts. Sie brach
den Stab über Kamptzs gesamte Amtsführung und zeigte mit siegreicher
Klarheit: gerade das Landrecht, gerade diese so ausführliche, so ins ein-
zelne gehende Kodifikation habe den wissenschaftlichen Geist des trefflichen
preußischen Richterstandes gelähmt; darum sei auch nicht, wie bisher immer,
eine Umarbeitung des ganzen Landrechts zu erstreben, sondern zuvörderst
eine Neugestaltung des Prozesses, damit die Richter in ihrer ganzen
Tätigkeit freier gestellt, unabhängiger nach oben, entlastet von fremd-
artigen Amtsgeschäften, wieder mit der Wissenschaft in lebendige Wechsel-
wirkung träten. Am materiellen Rechte wollte Savigny nur verändern,
was durch die Erfahrung widerlegt sei und den Bedürfnissen der heu-
tigen Gesellschaft widerspreche. Er forderte also, wie sein Lieblingsschüler
Ludwig v. Gerlach sagte, statt toter Kodifikation lebendige Legislation;
und bei dem freudigen Verständnis, das Friedrich Wilhelm den Ideen
seines Lehrers immer gewidmet hatte, schien die Hoffnung wohlberechtigt,
daß Preußens Gesetzgebung sich fortan auf der Höhe der Wissenschaft
halten würde.
Als Savigny auf Grund jenes Programms im März den Minister-
posten erhielt, da meinten fast alle guten Köpfe an den Hochschulen wie
an den Gerichten, eine glücklichere Wahl hätte der König nicht treffen
können; denn durch sein Wirken im Staatsrate und neuerdings durch
sein System des heutigen römischen Rechts war der größte Rechtsgelehrte
des Jahrhunderts auch bei den Praktikern zu hohem Ansehen gelangt.
Schon Stein hatte einst vorausgesagt, der würde einst ein würdiger Nach-
folger des Großkanzlers Carmer werden. Nur die Radikalen, die ihm seine
Kämpfe gegen das Vernunftrecht nicht verzeihen konnten, ergingen sich in
wohlfeilen Spöttereien über den Mann, der einst unserer Zeit den Beruf
zur Gesetzgebung abgesprochen hätte und nun selbst das Ministerium der
Gesetzrevision übernähme; sie hielten ihm vor, daß er, der Protestant,
seinen Sohn streng katholisch erziehen ließ, daß er einst Gans bekämpft
und Stahl beschützt hatte, daß er jetzt Gerlach sogleich in sein Ministerium
berief; sie weissagten dem „christlich-germanischen Solon“ ein schlimmes
Ende. Und seltsam, diesen Parteifanatikern gab der Erfolg schließlich mehr
Recht als den Einsichtigen und Unbefangenen. Es zeigte sich bald, daß
*) Thile an Kamptz, 5. Aug.; Kamptz an den König, 5. Okt., an Thilc, 5. Okt. 1841.