Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

160 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung. 
Schön ließ sich über die Schärfe des vorhandenen Gegensatzes nicht 
täuschen; er blieb dabei, A und Non A könnten nicht zusammengehen. 
Zweimal erbat er seinen Abschied, offenbar weil er noch immer hoffte, 
den Gegner zu stürzen. Er wußte längst, daß der König mehrmals daran 
gedacht hatte, ihm das Handelsministerium zu übertragen — allerdings ein 
sonderbarer Einfall, da Schön zwar reiche technische Kenntnisse besaß, aber 
als unbelehrbarer Feind des Zollvereins in der Handelspolitik sicherlich 
Unheil angestiftet hätte — und erwar nicht nur bereit, diesem Rufe zu folgen, 
er traute sich's auch zu, den gesamten Ministerrat zu leiten. Immer 
wieder kam er in Briefen und Gesprächen auf den allein rettenden Ge— 
danken zurück: wir brauchen „ein reguliertes Ministerium“, an dessen 
Spitze „ein wissenschaftlich gebildeter Staatsmann mit voller Erfahrung“ 
stehen muß; und von solchen Staatsmännern besaß die Monarchie nach 
seiner Meinung nur einen einzigen! 
Mit leidenschaftlicher Erregung verfolgte die Provinz diese Kämpfe; 
denn von allen deutschen Stämmen halten die Ostpreußen, neben den 
Holsten, den Schwaben und den Schlesiern, am festesten untereinander 
zusammen; und Schön liebte, alle Vorwürfe, die ihm aus Berlin zu— 
kamen, als Verdächtigungen der Treue seines Heimatlandes aufzufassen, 
um sie dann mit hoher patriotischer Entrüstung zurückzuweisen.“) So 
erschien Rochow bald jedem stolzen Ostpreußen fast wie ein persönlicher 
Feind. Mittlerweile verbreitete sich in der Provinz plötzlich das Gerücht 
von zahlreichen Brieferbrechungen; Schön sprach darüber, als ob ein 
Zweifel gar nicht möglich wäre. Der König aber, der schon nach seiner 
Thronbesteigung, zum Kummer des alten Nagler, alle solche schlechte 
Künste streng untersagt hatte, sendete sofort den Obersten Below mit außer- 
ordentlichen Vollmachten in seine Heimat, um eine scharfe Untersuchung 
vorzunehmen. Sie brachte schlechterdings nichts Bedenkliches an den Tags-); 
indessen ließen sich die Altpreußen ihren Verdacht nicht nehmen. 
Nun begann auch die schwache konservative Partei der Provinz sich 
zu regen. Unter dem Vorsitze des übelberufenen Landrats v. Hake 
versammelten sich im Februar einige Grundbesitzer zu Preußisch-Holland, 
um zu erklären, daß sie die Adresse der Freunde Jacobys mißbilligten 
und dem absoluten Könige unbedingt vertrauten. Hocherfreut erwiderte 
Rochow einem der Teilnehmer, der Monarch habe die loyalen Grund- 
sätze der Versammlung mit Wohlgefallen ausgenommen.) Da liefen 
von verschiedenen Seiten Anzeigen gegen Hake ein; man beschuldigte ihn 
eines Kassendefekts, und Schön beeilte sich in einem grimmigen Berichte die 
Nichtswürdigkeit dieses politischen Gegners mit grellen Farben zu schildern. 
*) Kabinettsordre an Thile, 30. März; Thiles Bericht an den König, 31. März 
1841. 
*“) Kabinettsordre an Below, 10. März: Belows Bericht an Thile, 24. März 1841. 
*#) Rochow an Regierungsrat v. Bessel, 1. März 1841. 
 
	        
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