162 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
burg zu billigem Preise erscheinen und fügte ein langes Nachwort hinzu,
das in törichten Schmähungen gegen Preußens Staat und Regierung
schwelgte. Da ward Friedrich Wilhelm geschildert als „ein höchst schlauer,
lebensgewandter Aristokrat, der sich sowohl auf die Schwächen als auf die
schönsten Eigenschaften des deutschen Volkes versteht und beide mit nicht
gewöhnlicher Verstellungskunst für seine Herrscherzwecke zu benutzen und
auszubeuten weiß.“
Sofort mußte Thile auf Befehl des Königs den Oberpräsidenten
„wegen des Verrates seiner fatalen Schrift““) befragen, und Schön
äußerte sich natürlich hoch entrüstet über Feins „Schändlichkeit.“ Gleich-
wohl unterließ er, was die Pflicht des Anstands und der Treue ge-
bieterisch erheischte; er erklärte nicht öffentlich, daß er an dem unbe-
fugten Nachdruck keinen Anteil habe und das radikale Nachwort ent-
schieden mißbillige. Der König in seinem arglosen Edelsinne mutete
ihm eine solche Erklärung auch gar nicht zu, sondern untersagte jede Ver-
folgung „des Woher und Wohin mit dem Drachenschwanze“, damit das
Gericht des Publikums „unedles, ja ehrloses Gebaren nach Gebühr be-
handeln“ könne.**) Wie gründlich täuschte er sich doch über die Urteils-
fähigkeit der öffentlichen Meinung, die zwischen gemäßigter und radikaler
Opposition noch keineswegs zu unterscheiden verstand. Da das Machwerk
Feins unbehelligt umlief, so glaubten die Leser allesamt, der Straß-
burgische Demagog und der Freund König Friedrich Wilhelms hegten im
Grunde die nämliche Gesinnung. In solcher Gestalt dargeboten wirkte
Schöns Abhandlung in der Tat wie eine Brandschrift, und sein Verbleiben
im Amte wurde rein unmöglich.
Und doch war Schön nicht ganz im Irrtum, wenn er von dem
unberechenbaren Charakter des Königs bis zuletzt noch eine Sinnesän-
derung erhoffte. Friedrich Wilhelm hatte mit dem alten Freunde noch
nicht ganz gebrochen; und in demselben Augenblicke da er Schöns Ent-
lassung genehmigte, strafte er zugleich dessen Feinde. Am 7. April wurde
General Wrangel zu seinem schmerzlichen Erstaunen nach Stettin ver-
setzt, weil der König meinte: der bärbeißige Soldat würde in Königsberg
zu früh schießen lassen. Zugleich brach auch über Rochow das Verhäng-
nis herein. Friedrich Wilhelm hielt sich verpflichtet, die offenbare Partei-
lichkeit, welche der Minister während des langen Streites gezeigt hatte,
nicht ungerügt zu lassen; es entging ihm nicht, daß Rochows offiziöse
Zeitungsschreiber an der Zügellosigkeit der liberalen Presse mitschuldig
waren; dennoch brachte er es nicht über das Herz, dem Freunde die ganze
Wahrheit zu gestehen. Am 9. April sagte er dem Überraschten in einem
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 24. Mai 1842.
*“) König Friedrich Wilhelm an Thile, 23. Mai; Randbemerkung des Königs zu
Rochows Bericht vom 21. Mai 1842.