Deutsch-französische Jahrbücher. Brüggemann. 211
und ich trage kein Bedenken zu behaupten: wenn er nicht anders zum
Vorschein kommt, so ist dies lediglich die Schuld seiner niederträchtigen
Natur.“ Diese Lästerungen standen freilich in einem fingierten Brief—
wechsel; sie gaben aber unzweifelhaft Ruges eigene Ansicht wieder, daß
sein alter Freund Robert Prutz sich als treuer Patriot gedrungen fühlte,
warnend zu widersprechen. „Wer ist noch patriotisch? Die Reaktion.
Wer ist es nicht mehr? Die Freiheit. Das wahre Vaterland des
Freiheit suchenden Menschen ist die Partei. Nur freie Männer haben
keine Religion —“ in dem Labyrinthe solcher seichten und frechen Kraft-
worte bewegte sich alles, was Ruge in den nächsten Jahren schrieb. Seine
Deutsch-französischen Jahrbücher gerieten alsbald ins Stocken; von dem
ersten Hefte wurde fast die ganze Auflage an der pfälzischen Grenze
konfisziert, und manche der französischen Radikalen, die sich Ruge zu Mit-
arbeitern ausersehen hatte, entsetzten sich über die gottlosen Doktrinen
des deutschen Philosophen, dessen politische Unschädlichkeit sie nicht durch-
schauten. Auch in Deutschland begann man, obschon der politische Ra-
dikalismus beständig zunahm, der scholastischen Formeln der Junghege-
lianer müde zu werden. Nachdem die souveräne Kritik jeden möglichen
und unmöglichen Standpunkt überwunden hatte, wußte sie der Nation
nichts mehr zu sagen; das junge Geschlecht aber verlangte nach praktischer
Freiheit, nicht nach Gedankenspielen.
Die Rheinische Zeitung hingegen wurde bald durch die Kölnische
ersetzt. Dies alte, durch die Inserate der gewerbreichen westlichen Pro-
vinzen wohlgesicherte Blatt war eine Zeitlang hinter der übermütigen
jungen Nebenbuhlerin zurückgetreten und hob sich jetzt wieder schnell, da
viele Mitarbeiter der unterdrückten Zeitung zu ihm übergingen. Der
Verleger Joseph Dumont, ein kräftiger Altkölner voll reichsstädtischen
Stolzes und preußischer Königstreue, machte plötzlich die Entdeckung, daß
die Regierung einen seiner Hauptredakteure, Dr. Hermes bestochen hatte —
was in Preußen ganz unerhört und sicherlich auch ohne Vorwissen des
Monarchen geschehen war; er entließ den Mann sofort und vertraute
seine Zeitung zuverlässigeren Händen an. Etwas später übernahm der
Westfale K. H. Brüggemann die Leitung. Der hatte seine Hambacher
Festrede und die Schwärmerei seiner Studentenjahre auf der Festung
Posen abgebüßt; aber unverbittert durch die lange Haft, schrieb er nach-
her (1843) das geistreiche Büchlein „Preußens Beruf in der deutschen
Staatsentwicklung“, ein Programm der Münsche, welche das liberale
Bürgertum des Westens bewegten: er verlangte ständische Vertretung
ohne allgemeine Wahlen, Freiheit der Presse, des Handels, der Gewerbe,
Selbstverwaltung der Gemeinden, Aufhebung aller Privilegien neben Aner-
kennung der ständischen Unterschiede, und sprach schon die bestimmte Er-
wartung aus, daß Preußen an die Spitze der deutschen Nation treten
würde. Wenn der Minister Bodelschwingh für nötig hielt, diesen Ver-
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