Die fränkischen Protestanten. 319
worden ist. So war auch damals weit verbreitet eine ganz unhistorische
Anschauung vom dreißigjährigen Kriege, die in den Geschichtswerken von
Gfrörer und Barthold ihren wissenschaftlichen Ausdruck fand; man über—
trug den Gegensatz der Welfen und der Ghibellinen in das Zeitalter der
Religionskriege und verurteilte die Verteidiger des evangelischen Glaubens
kurzweg als Rebellen gegen Kaiser und Reich. Begreiflich genug, daß
diese pseudo-ghibellinische Geschichtsansicht dem glühenden Verehrer des
Kurfürsten Max wohl gefiel. König Ludwig betrachtete die Gustav-Adolf-
Stiftung schon um ihres Namens willen als offenbaren Landesverrat,
die Ultramontanen nannten sie „die wahre Spottgeburt der Aufklärung
und der deutschen Mißeinheit“. Der Verein wurde in Bayern streng
verboten, die evangelischen Gemeinden durften nicht einmal Unterstützungen
von ihm annehmen, derweil den römischen Proselytenwerbern Tür und
Tor offen blieb.
Nur so grobe und hartnäckige Ungerechtigkeit konnte bewirken, daß
die alten Parteien sich zersetzten und die an konservativen Kräften so
reichen fränkischen Protestanten allesamt in das Lager der ergrimmten
Opposition hinüberzogen. In Erlangen war der alte Rationalismus zuerst
durch die erweckenden Kanzelreden und die praktische Frömmigkeit des
Predigers Krafft bekämpft, nachher durch Lehmus, Harleß, Höfling, Tho-
masius und andere neuberufene Theologen völlig überwunden worden.
Jetzt herrschte in der theologischen Fakultät eine strenge konfessionell-luthe-
rische Gesinnung; die Erlanger stritten wider die evangelische Union so
beharrlich, daß der Vorwurf preußischer Gesinnung, den der Minister
gegen die Protestanten zu schleudern liebte, gerade hier am wenigsten zutraf.
Dabei zeigten sie ernsten wissenschaftlichen Sinn und hielten sich ganz frei
von pietistischer Kopfhängerei; das frische, anspruchslos fröhliche Burschen-
leben, das diese kleine Hochschule jederzeit ausgezeichnet hatte, blieb ihr
noch immer erhalten. Den leidsamen Lutheranern lag die Ehrfurcht vor
der Obrigkeit tief im Blute; erst durch Abels offenbare Verfassungs-
verletzungen gerieten sie in Harnisch, und fortan fühlten sie sich in statu
confessionis. Wie einst in den Tagen des Augsburger Interims die hart-
gläubigen Jenenser mehr Widerstandskraft gezeigt hatten als die Schüler
des milden Melanchthon, so fanden jetzt die bayrischen Protestanten ihre
beste Stütze an dem einseitigen, charakterfesten Konfessionalismus der Er-
langer Theologen. An sie schlossen sich die ebenso konservativ gesinnten
Edelleute, voran Graf Giech und Freiherr v. Rotenhan, dann die Nürn-
berger, die sich der reichsstädtischen Zeiten und der Kämpfe gegen die
katholischen bayrischen Nachbarn wieder zu erinnern begannen, endlich das
gesamte protestantische Frankenland.
Seit Stahls Abgange vertrat Harleß die Erlanger Universität im
Landtage, der Herausgeber der streng lutherischen Zeitschrift für Prote-
stantismus und Kirche, ein tapferer und weltkluger Gelehrter, sehr wirksam