Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

320 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. 
als Redner auf der Kanzel wie im Ständesaale. Er hatte schon 1839, 
sehr zur rechten Zeit, den Jesuitenspiegel herausgegeben, eine gemeinver- 
ständliche Darstellung der moralischen Kasuistik der Gesellschaft Jesu, und 
damit die Ultramontanen schwer gereizt, weil sein Büchlein durchweg aus 
unanfechtbaren Quellen geschöpft war. Nun versuchten die beiden prote- 
stantischen Generalsynoden von Ansbach-Baireuth mehrmals, die Be- 
schwerden ihrer Kirche vor den Thron zu bringen. Abel bestritt ihnen das 
Recht dazu und ließ, wieder ganz willkürlich, durch die königlichen Kom- 
missäre solche Verhandlungen verbieten. Da traten die Synodalen als 
einzelne zusammen — keiner von allen schloß sich aus — und sendeten ihre 
Bittschriften unmittelbar an den Monarchen. 
Unterdessen währte der literarische Streit fort. Harleß, Thiersch und 
die anderen Vorkämpfer der Protestanten bewahrten, im Bewußtsein ihres 
guten Rechts, noch einige Mäßigung. Die Klerikalen dagegen schlugen bald 
einen Ton an, wie er in den schwülen Zeiten vor dem dreißigjährigen Kriege 
üblich gewesen; sie behaupteten — was aus dem Munde gläubiger Katholiken 
wie Hohn klang — die Kniebeugung sei ja nur ein Gruß, eine Körper- 
bewegung, ohne Sinn, solange der Kniende sich nichts dabei denke. Durch 
pfäffische Gehässigkeit tat sich namentlich J. Döllinger hervor, der erste Ge- 
lehrte der Münchener theologischen Fakultät seit Möhlers Tode, ein scharf- 
sinniger und doch unfreier Geist, dessen mannigfache Häutungen damals noch 
niemand ahnen konnte. Er sagte in seinen Streitschriften gegen Harleß: 
auch er hätte sich mit den Werken der Wittenberger Reformatoren beschäftigt, 
„doch niemals ohne jene geistigen Verwahrungs= und Absperrungsmittel 
vorzukehren, wie wir sie körperlich anzuwenden pflegen, wenn wir unsern 
Weg durch einen unsauberen Ort oder eine stinkende Pfütze nehmen 
müssen.“ Die evangelische Freiheit der Protestanten war ihm eitel Tor- 
heit; geringschätzig verspottete er ihre „arme Kirche“, die sich vor dem Über- 
tritt der Minderjährigen fürchte, die nichts Festes anerkenne als Gottes 
Wort und, in unzählige Parteien zerspalten, das Ja und das Nein mit 
gleicher Zuversicht zu behaupten wisse. Nach diesem Federkriege und 
einigen heftigen Auftritten in der Kammer wurde Harleß plötzlich als 
Konsistorialrat nach Baireuth versetzt, damit er sein Erlangen nicht mehr 
im Landtage vertreten könnte. Da man seine Vorstellungen nicht be- 
achtete, so verlangte er den Abschied und folgte einem Rufe nach Leipzig. 
Wohin sollte diese Parteiregierung noch geraten, wenn sie Gegner wie 
Stahl und Harleß nicht mehr zu ertragen vermochte? 
Der wachsende Unmut der Franken zwang schließlich auch den kon- 
servativsten aller bayrischen Lutheraner, den Präsidenten des Münchener 
Oberkonsistoriums K. Roth, auf den Kampfplatz hinauszutreten. Dieser 
geistvolle, tief gelehrte, ganz von der klassischen Bildung seines Heimat- 
landes durchdrungene Schwabe hatte sich um die neue Blüte der Er- 
langer Universität große Verdienste erworben und im fränkischen Schul-
	        
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