Alexis. Auerbach. 385
schwülen öden Heide, die blauen Seen mit dem einsam kreisenden Reiher
darüber. Was im alten Berlin lebendig und naturwüchsig war, ist niemals
treuer dargestellt worden, als von den beiden Halbfranzosen Chamisso und
Häring. Ein fleißiger Künstler, bedachtsam sinnend und feilend, vermochte
Alexis doch nicht jederzeit in so heiterer Sicherheit wie Scott über der Fülle
seiner Gestalten zu stehen; und die große Schlußwirkung, gerade die Stärke
des Schotten, fehlte bei ihm fast immer, da er die Einwirkung der Tieckschen
Romantik nie ganz überwand und zuletzt oft wie im Traum die Zügel
aus den Händen gleiten ließ.
Gleichwohl blieben dies e vaterländischen Romane echte Perlen erzählen—
der Dichtung, sie konnten in jedem guten deutschen Bürgerhause zugleich
künstlerische und patriotische Freude erregen. Da zeigte sich aber, was
es auf sich hat, ob eine Nation sich noch eins fühlt mit ihrer Geschichte.
Die Schotten lebten und dachten allesamt mit ihrem nationalen Roman—
dichter, sie hoben ihn frohlockend auf den Schild. Jeder Graham, Scott,
Campbell, Douglas fühlte sich geehrt, wenn er die Genossen seines Clans
in Sir Walters Romanen wiederfand. Dem deutschen Dichter, der
allerdings nicht ganz so hoch stand, wurde von solchem Flammenmeere
nationaler Begeisterung nicht einmal ein kümmerlicher Lichtstrahl zu teil.
Die Deutschen außerhalb Brandenburgs wußten von der märkischen Vor—
zeit noch schlechthin gar nichts; sie fanden es mühsam, sich auch nur hin—
einzulesen in diese fremde Provinzialgeschichte. Die Brandenburger selbst
wurden geistig beherrscht von dem durchaus lieblosen und geschichtslosen
Berlinertum, sie haben sich um den eigentlich märkischen Dichter nie viel
gekümmert. Und auch die Undankbarkeit der Hohenzollern sollte er gründ—
lich kennen lernen, den unschönen Erbfehler des Herrscherhauses, von dem
unter allen preußischen Königen allein Friedrich der Große und Kaiser
Wilhelm I. ganz frei geblieben sind; soviel man weiß, hat der Dichter
des Rolands von Berlin und der Hosen des Herrn v. Bredow in diesen
Jahren von seinem kunstsinnigen Könige nie ein anderes Zeichen der Teil-
nahme empfangen als jenen ungerechten Brief, der ihm die liberalen
Harmlosigkeiten seiner Vossischen Zeitung strafend vorhielt.)
Weit reicheren Beifall ernteten die Dorfgeschichten Berthold Auer-
bachs, ein Buch, das den realistischen Zug, die demokratische Weltanschau-
ung des neuen Geschlechts kräftig förderte und dadurch Bedeutung für
die Zeitgeschichte gewann. Auerbach stammte aus einem jener jüdischen
und halbjüdischen Dörfer, welche, eine seltene Ausnahme auf deutschem
Boden, da und dort am oberen Neckar liegen. An Spinoza gebildet,
hatte er sich als Dichter anfangs nur an jüdischen Stoffen versucht und
trat nun plötzlich mit einem weiten Schritte aus dem Ghetto in das deutsche
Volksleben hinüber. Seine kleinen Geschichten waren mit niederländischem
—
*) S. v. V. 208.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 25