Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Das Handelsamt. Rönne. 457 
seltsam genug, dies würde „eine Erschwerung in den Gang der Staats— 
verwaltung bringen“.“*) Angeregt durch eine Denkschrift Rönnes entschied 
er sich für eine unglückliche Halbheit. Er wollte ein Handelsamt unter 
Rönnes Vorsitz bilden, das gleich dem Landes-Okonomiekollegium nur 
technische Gutachten erstatten, sachverständige Kaufleute und Gewerbtrei— 
bende zur Beratung zuziehen, auch mit den Handelskammern sich ver— 
ständigen sollte. Über die also begutachteten handelspolitischen Fragen 
entschied dann der Handelsrat, der aus fünf Ministern und dem Präsi— 
denten des Handelsamtes bestand und von Zeit zu Zeit unter dem Vor— 
sitze des Monarchen selbst zusammentrat. Das hohe Beamtentum er— 
kannte sogleich, daß damit eine Annäherung an das Schutzzollsystem be— 
zweckt wurde; auch fürchtete man, das Handelsamt könnte, wie vormals 
die Generalkontrolle, den Ministerien über den Kopf wachsen.**) Bodel— 
schwingh sah sogar in den wirtschaftlichen Notabeln den gefährlichen Keim 
einer „konstitutionellen Repräsentation“. Alle Minister widersprachen 
dem Plane lebhaft; nur Bülow trat für Rönne ein. **) Dem ungeachtet 
wurden am 7. Juni 1844 Handelsrat und Handelsamt gesetzlich ein— 
geführt. Die Schutzzollpartei begrüßte das neue Amt mit frohen Hoff— 
nungen x); doch bald mußte sie erfahren, welch ein Mißgriff der König 
in bester Meinung getan hatte. Da jetzt ein ernster sachlicher Gegen- 
satz vorlag und das begutachtende Handelsamt zudem keine gesicherte 
Stellung neben den entscheidenden Behörden einnahm, so brach die alte 
Krankheit des preußischen Beamtentums, der Krieg der Departements 
wieder heftig aus; die Feindschaft zwischen dem Finanzministerium und 
dem Handelsamte wurde landkundig, Rönne scheute sich nicht, sogar die 
Zeitungen gegen Kühne aufzuwiegeln, und man spottete laut, Preußens 
Handelspolitik sei zweiköpfig. — 
Weil der erste Handelsvertrag des Zollvereins mit dem Auslande, der 
niederländische, entschieden mißlungen und nach kurzer Zeit wieder auf- 
gekündigt worden war ##), so betrachteten die Süddeutschen fortan alle 
handelspolitischen Verhandlungen Preußens mit begreiflichem Mißtrauen. 
Ihr Argwohn stieg aufs höchste, als Preußen am 2. März 1841 einen 
Schiffahrtsvertrag mit England abgeschlossen hatte — mit diesem Eng- 
land, das in unserem Süden, wahrlich mit Recht, als der Todfeind der 
deutschen Handelseinheit verwünscht wurde. Da hieß es überall: das sei 
der erste Versuch, Deutschland ganz den Briten zu unterwerfen und unsere 
Schutzzölle le aufzuheben. Die Allgemeine Zeitung und fast alle Blätter des 
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 27. Aug. 1843. 
**) Nach Kühnes Denkwürdigkeiten. 
*““) Thiles erster Plan, Aug. 1843. Thiles Bericht an den König, 19. Nov. 1843. 
Bülows Berichte an den König, 17. Mai 1844. 
t) Rönne an König Friedrich Wilhelm, 16. Febr 1850. 
## ) S. o. IV. 573.
	        
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