Das Handelsamt. Rönne. 457
seltsam genug, dies würde „eine Erschwerung in den Gang der Staats—
verwaltung bringen“.“*) Angeregt durch eine Denkschrift Rönnes entschied
er sich für eine unglückliche Halbheit. Er wollte ein Handelsamt unter
Rönnes Vorsitz bilden, das gleich dem Landes-Okonomiekollegium nur
technische Gutachten erstatten, sachverständige Kaufleute und Gewerbtrei—
bende zur Beratung zuziehen, auch mit den Handelskammern sich ver—
ständigen sollte. Über die also begutachteten handelspolitischen Fragen
entschied dann der Handelsrat, der aus fünf Ministern und dem Präsi—
denten des Handelsamtes bestand und von Zeit zu Zeit unter dem Vor—
sitze des Monarchen selbst zusammentrat. Das hohe Beamtentum er—
kannte sogleich, daß damit eine Annäherung an das Schutzzollsystem be—
zweckt wurde; auch fürchtete man, das Handelsamt könnte, wie vormals
die Generalkontrolle, den Ministerien über den Kopf wachsen.**) Bodel—
schwingh sah sogar in den wirtschaftlichen Notabeln den gefährlichen Keim
einer „konstitutionellen Repräsentation“. Alle Minister widersprachen
dem Plane lebhaft; nur Bülow trat für Rönne ein. **) Dem ungeachtet
wurden am 7. Juni 1844 Handelsrat und Handelsamt gesetzlich ein—
geführt. Die Schutzzollpartei begrüßte das neue Amt mit frohen Hoff—
nungen x); doch bald mußte sie erfahren, welch ein Mißgriff der König
in bester Meinung getan hatte. Da jetzt ein ernster sachlicher Gegen-
satz vorlag und das begutachtende Handelsamt zudem keine gesicherte
Stellung neben den entscheidenden Behörden einnahm, so brach die alte
Krankheit des preußischen Beamtentums, der Krieg der Departements
wieder heftig aus; die Feindschaft zwischen dem Finanzministerium und
dem Handelsamte wurde landkundig, Rönne scheute sich nicht, sogar die
Zeitungen gegen Kühne aufzuwiegeln, und man spottete laut, Preußens
Handelspolitik sei zweiköpfig. —
Weil der erste Handelsvertrag des Zollvereins mit dem Auslande, der
niederländische, entschieden mißlungen und nach kurzer Zeit wieder auf-
gekündigt worden war ##), so betrachteten die Süddeutschen fortan alle
handelspolitischen Verhandlungen Preußens mit begreiflichem Mißtrauen.
Ihr Argwohn stieg aufs höchste, als Preußen am 2. März 1841 einen
Schiffahrtsvertrag mit England abgeschlossen hatte — mit diesem Eng-
land, das in unserem Süden, wahrlich mit Recht, als der Todfeind der
deutschen Handelseinheit verwünscht wurde. Da hieß es überall: das sei
der erste Versuch, Deutschland ganz den Briten zu unterwerfen und unsere
Schutzzölle le aufzuheben. Die Allgemeine Zeitung und fast alle Blätter des
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 27. Aug. 1843.
**) Nach Kühnes Denkwürdigkeiten.
*““) Thiles erster Plan, Aug. 1843. Thiles Bericht an den König, 19. Nov. 1843.
Bülows Berichte an den König, 17. Mai 1844.
t) Rönne an König Friedrich Wilhelm, 16. Febr 1850.
## ) S. o. IV. 573.