582 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
er nicht abgeneigt war, bei einer Teilung der deutschen Herzogtümer
herzhaft zuzugreifen. Die russischen Gottorper hatten zwar durch die
Verträge von 1767 und 73 auf das längst verlorene Schleswig förmlich
verzichtet und ihren Anteil an Holstein ausgetauscht gegen die Grafschaften
Delmenhorst und Oldenburg, die nachher der jüngsten gottorpischen
Linie überwiesen wurden. Doch wann war jemals ein russischer Vertrag
zu stande gekommen, der nicht nachher irgendwo einen Haken zeigte?
Jener Verzicht war erfolgt zu Gunsten des damaligen Königs von Däne-
mark „und seiner Kronerben“. Wer diese Kronerben seien, wurde jetzt
streitig. Folglich, so schlossen die Moskowiter mit ihrer eigentümlichen
Logik, konnten Rußlands Ansprüche auf den gottorpischen Anteil an Hol-
stein vielleicht wieder aufleben, und zu diesem Anteile gehörte erfreulicher-
weise auch der Kieler Hafen! Dem preußischen Gesandten sagte Nesselrode
mehrmals: wir glauben, auf Holstein Ansprüche zu haben; ich habe dem
Kaiser abgeraten, sie aufzugeben, weil er die Rechte seiner Nachkommen
nicht aufopfern darf und sich jedenfalls ein Kompensationsobjekt sichern
muß.) Noch aufrichtiger redete eine Weisung des russischen Kanzlers an
den Geschäftsträger in Kopenhagen. Hier belobte er den Offenen Brief
als eine weise Maßregel und billigte durchaus die Rechtsanschauung des
Dänenkönigs. Schleswig unterliege, nachdem das Haus Gottorp darauf
verzichtet, dem dänischen Thronfolgerechte — so schrieb er zuversichtlich, ob-
gleich die Gottorper ein Recht, das ihnen selber nicht zustand, doch sicher-
lich auch nicht hatten abtreten können. Über Holstein müsse man allerdings
noch verhandeln; indes würde der Zar sich aufrichtig freuen, die Ansprüche
des Hauses Gottorp in Einklang zu bringen „mit den Lebensinteressen
einer Monarchie, deren Aufrechterhaltung und Unteilbarkeit der König
mit einer gerechten Besorgnis betrachtet, welche Se. Kais. Majestät in
hohem Grade teilt“. 5) Auf Rußlands Beistand konnte sich Christian
mithin verlassen, wenn er nötigenfalls dem Hause Gottorp irgend eine
Entschädigung gewährte. Über die Ansprüche der Augustenburger äußerte
sich der Zar vorläufig noch nicht abschließend, aber die Haltung der
Schleswigholsteiner fand er revolutionär.
Der Wiener Hofburg kam der transalbingische Streit sehr ungelegen;
nach der Eigenart ihres Reiches hatte sie ja selbst nichts mehr zu fürchten
als die Macht der nationalen Ideen. Von Deutschtum, Dänentum und
anderen solchen „Tümern“ wollte Metternich gar nichts hören. Er war
empört über das Gelichter der deutschen liberalen Partei und ihr Halli-
Halloh, er fand die ganze schamlose Agitation künstlich, gemacht, revolu-
tionär und wünschte vornehmlich Bestrafung der frechen Heidelberger
Professoren. Aber auch der Krone Dänemark warf er vor, daß sie das
*) Rochows Berichte, 6. 19. 27. Aug., 25. Sept. 1846.
*7) Nesselrode, Weisung an den Geschäftsträger v. Ewers, 3./15. Aug. 1846.