Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Preußens Haltung. Schoultz v. Ascheraden. 583 
liberale Ungeziefer seit Jahren karessiert und jetzt vor der Zeit unreife 
Pläne verlautbart habe, während man doch sonst die Gäste nicht in die 
Küche führe, sondern ihnen die Speisen fertig vorsetze. Von Berlin her ge- 
warnt, sah er jedoch ein, daß man die ungeheure Aufregung in Deutsch- 
land irgendwie beschwichtigen mußte; und da er, schon wegen der mög- 
lichen Verstärkung Preußens, den Zerfall des dänischen Gesamtstaats 
durchaus verhindern wollte, so gelangte er zu der Ansicht, das beste sei 
die Aufhebung des Königsgesetzes und die Thronfolge der Augustenburger 
in allen Kronlanden. Es war sicher der freundlichste Rat, der sich dem 
Dänenkönige geben ließ. Wenn nur die Menschen nicht Menschen wären! 
Wenn nur nicht der wilde Deutschenhaß der Dänen gerade diesen sichersten 
Ausweg ganz versperrt hätte! 
Wunderlich, fast tragikomisch erschien unter solchen Umständen die 
Haltung des Berliner Hofes. Alle Ausländer trauten ihm einen Ehrgeiz 
zu, der ihm durch die Geschichte des preußischen Staates geradezu auf- 
gezwungen wurde und gleichwohl dem sanften Gemüte dieses Königs ganz 
fern lag. Niemals hat Friedrich Wilhelm die Frage erwogen, ob die trans- 
albingischen Händel nicht benutzt werden sollten, um Preußens Macht- 
stellung an der Ostsee zu verstärken; er hielt für unmöglich, daß man ihm 
so verruchte Pläne auch nur andichten könnte. Wie er den leidlichen 
Ausgang des Kölnischen Bischofsstreites lediglich dem Trotze Droste-Vische- 
rings verdankte, so wurden auch die notwendigen Kämpfe, welche schließ- 
lich unsere Nordmark unter die Krone der Hohenzollern bringen sollten, 
nicht durch preußische Berechnung, sondern einzig und allein durch die 
Verblendung Christians VIII. und seiner Dänen herbeigeführt. Eine Re- 
gierung ohne Stolz und Tatkraft, welche grundsätzlich nie das Schwert 
ziehen will, kann sich vielleicht, durch die Macht alter Traditionen, noch eine 
Zeit lang ein tüchtiges Heer bewahren, ihr Auswärtiges Amt aber muß 
schnell entsittlicht werden. Welch einen jämmerlichen Anblick bot doch das 
diplomatische Korps des vierten Friedrich Wilhelm neben jenen kühnen, 
kriegerischen Gesandten, die einst die Befehle des großen Königs handfest 
vollstreckt hatten. General Rauch war ein guter Russe, obwohl ihm das 
preußische Gefühl nicht gänzlich fehlte, Bunsen war ein guter Engländer, 
Graf Arnim ein guter Osterreicher, aber sie alle überbot noch bei weitem 
Freiherr Schoultz von Ascheraden in Kopenhagen. Einen besseren Patrioten 
als diesen fremdbrüderlichen preußischen Gesandten hat Gammel Danne- 
mark unter seinen eigenen Landeskindern nie besessen. Schoultz war vor 
langen Jahren auf dem gleichgültigen Kopenhagener Gesandtschaftsposten 
versorgt worden, wo alle Höfe ihre diplomatischen Nullen unterzubringen 
pflegten, und behielt die Stelle leider auch, als sie plötzlich hochwichtig 
wurde. Er fühlte sich am Sunde ganz heimisch, glaubte den dänischen 
Ministern, die fast durchweg gebildete, liebenswürdige Männer waren, 
treulich aufs Wort und berichtete in seinem schauderhaften Französisch, das
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.