Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Niederlage des Sonderbunds. 731 
Entscheidung, die bei der weiten Entfernung der fünf Höfe ohnehin viel 
Zeit erforderte, noch ein wenig hinzuhalten, bis der Sonderbund durch 
die Waffen der Zwölfermehrheit vernichtet war. Schon im September 
hatte sein getreuer Lord Minto, auf der Reise nach Turin, sich mit 
Ochsenbein besprochen und mit Freuden erfahren, daß der radikale Frei- 
scharenführer zu raschen Schlägen entschlossen war.) Auch der preußi- 
sche Gesandte Sydow beurteilte die Lage richtig; er berichtete heim: jeder 
Tag Zeitverlust beschleunige den Untergang des Sonderbundes. Als 
nun der Herzog von Broglie den Notenentwurf Guizots vorlegte, da 
vermochte Palmerston im ersten Augenblicke seine Schadenfreude nicht mehr 
zu bemeistern, und in einem höhnischen Brieflein gab er zur Antwort: er be- 
wundere die Fassung des Aktenstückes; er sehe wohl, es handle sich um eine 
zweite Auflage der Krakauer Sache, und könne nie seine Hand dazu bieten, 
daß die Schweiz polonisiert würde. Darob allgemeine Entrüstung an den 
großen Höfen; König Friedrich Wilhelm schrieb an Bunsen: „Dieser 
Witz Ihres whiggistischen Freundes schmeckt nach Ubergenuß von Austern 
und Champagner. Er ist das Kind des Guizot-Metternich-Hasses, d. h. 
der schlechtesten Erscheinung auf dem diplomatischen Horizonte seit den 
Juli-Tagen.“*)Indes lenkte der schlaue Lord alsbald scheinbar ein und 
erklärte sich bereit, über eine gemeinsame Note zu verhandeln. Darüber 
mußten wieder viele Tage vergehen, und währenddem ließ der englische 
Gesandte in der Schweiz, der junge mit Ochsenbein persönlich befreundete 
Sohn Robert Peels, den General Dufour vertraulich auffordern, er 
möge so schnell wie möglich losschlagen. Abermals hohe Entrüstung an 
den großen Höfen, als diese neue Treulosigkeit ruchbar wurde; Friedrich 
Wilhelm wollte gar nicht begreifen, daß dieser „Peelbube“ der Sohn des 
Mannes sei, der den Sinn eines Herzogs und das Herz eines Bürgers 
habe.*“) Aber hatten Österreich und Frankreich redlicher gehandelt, 
als sie den Sonderbund mit Geld und Waffen unterstützten? Das alte 
System der bevormundenden Kongresse zeigte sich noch einmal in seiner 
ganzen Unwahrheit. Die Staaten Europas waren durch zu mannigfache 
Interessen miteinander verkettet, der hohe Gerichtshof der Pentarchie 
konnte in irgend ernsten Streitfällen niemals ganz unparteiisch verfahren. 
General Dufour bedurfte der englischen Mahnungen nicht. Er sah 
mit sicherem Soldatenblick, daß er seine große Übermacht sofort ganz 
einsetzen mußte, um den Sonderbund in raschem Anlaufe niederzurennen. 
So ward der Sieg gesichert, eidgenössisches Blut gespart, die Einmischung 
der Fremden abgewendet. Die Truppen der Tagsatzung entwaffneten zu- 
nächst den Kanton Freiburg, sie zogen sodann gegen die Hauptstadt des 
  
*) Bunsens Bericht, 28. Sept. 1847. 
**) Graf Arnims Bericht, 22. Nov.; König Friedrich Wilhelm an Bunsen, 8. Dez. 
1847. 
*) König Friedrich Wilhelm an Bunsen, 4. Dez. 1847.
	        
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