Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

XXVI. Zur Geschichte der Burschenschaft. 747 
lebte, dem Mörder das Geld für die letzte Reise gegeben, auch ein Paket mit Papieren, 
die nachher zum Teil in den Zeitungen erschienen, von Sand zur Aufbewahrung er- 
halten hatte. Besonders auffällig war dabei der Umstand, daß Sand, der sonst alle 
seine kleinen Schulden peinlich genau in ein besonderes Schuldbüchlein eintrug, diesen 
letzten und größten Schuldposten nicht verzeichnet hatte. Follen wußte wieder, dank 
seinem schwachen Gedächtnis, nichts Sicheres anzugeben. Sand aber versicherte in den 
Mannheimer Verhören, daß er das Reisegeld von Asmis empfangen und diesem auch 
das Paket übergeben hätte. Das war dem armen A#mis doch zu arg. In höchster Er- 
regung, unter strömenden Tränen beteuerte er wieder und wieder: ich kann das nicht 
zugeben, „selbst wenn ich Sand einen Gefallen damit täte.“ Die Verzweiflung 
des ehrlichen Jungen war offenbar ungeheuchelt, und die Kommission geriet jetzt endlich 
auf die Mutmaßung, welche minder gemütliche Leute wohl schon früher gefaßt hätten: 
daß die Eingeweihten mit ihrem Lügenspiele nur bezweckten, den Kopf ihres Häuptlings 
Follen um jeden Preis aus der Schlinge zu ziehen. Am 28. Mai schrieb sie daher an die 
Mannheimer Kommission: „Könnte Sand nicht vielleicht den Verdacht von anderen, 
die nach seiner Ansicht als kluge umsichtige Männer bei wichtigen Gelegenheiten für 
Deutschland brauchbar und von Bedeutung werden könnten, abwenden wollen und 
vorziehen, einen gewöhnlichen unbedeutenden Menschen, von dem er künftig nichts Großes 
erwartet, vorzuschieben?" Oder Sand hoffe vielleicht, Asmis würde die Schuld freiwillig 
auf sich nehmen — was bei dessen Schwärmerei nicht unmöglich sei — und Asmis hätte 
die Absicht nur nicht verstanden?! 
Unterdessen wurde Follen, da sein hartnäckiges Lügen und seine beispiellose Ge- 
dächtnisschwäche doch verdächtig schienen, am Morgen des 11. Mai endlich verhaftet und 
nach Weimar abgeführt, wo die Kommission jetzt tagte. Bei einer zweiten Haussuchung 
fand man einen langen, überschwenglichen Brief von Sands Mutter an Follen. Die 
unglückliche, verblendete Frau verglich „unseren reinen, großen Märtyrer“ mit Martin 
Luther und schrieb: „In vieler Hinsicht hat er auch gewiß mit diesem ehrwürdigen Re- 
formator in gleichem Schritt, aber nur verschieden gewirkt.“ Das Grab in Mannheim 
wollte sie mit Blumen schmücken lassen, „bis vielleicht einst Deutschland dankbar eine 
Säule setzt“ [was bekanntlich seitdem geschehen ist). Zu Follen sagte sie: „Gott segne 
es Ihnen, der Sie sein Leben mit starker Hand schützen.“ Diese Worte bezogen sich auf 
den im Kreise der Unbedingten oft erwogenen törichten Plan der gewaltsamen Befreiung 
des Mörders. Follen aber erklärte zu Protokoll: das geht auf meine Absicht, für die Tat 
zu schreiben, „eine Verteidigung dadurch, daß sie in subjektiver Hinsicht, nach Sands 
dabei gehabter Meinung dargestellt würde.“ In dem Verhöre vom 11. Mai wieder- 
holte sich das alte Spiel; Follens Gedächtnis blieb unverbesserlich schwach. Als 
ihm Könneritz endlich vorhielt, es spreche nicht zu seinen Gunsten, wenn er auch jetzt noch 
beständig versichere, „daß er sich dieses nicht erinnern könne,“ da erwiderte Follen frech: 
„das sei ihm ein ganz neuer kriminalrechtlicher Grundsatz,“ und protestierte gegen 
die gesamte Untersuchung. Der ganze Hergang beweist schlagend die Vorzüge des 
öffentlich-mündlichen Verfahrens; vor einem heutigen Gerichte hätte sich ein Mann von 
Follens Ruf und Bildung ein solches Spiel auf die Dauer nicht erlauben können. Schon 
Tags darauf, 12. Mai, verlangte Follen durch ein Schreiben an die Kommission seine 
sofortige Freilassung, da er seine Kollegien nicht versäumen wolle, und setzte mit 
kasuistischer Geschicklichkeit auseinander, man könne ihm doch höchstens Unterlassung der 
Anzeige vorwerfen, und diese sei straflos. Infolge dieses Schreibens wurde er noch am 
selben Tage mit Asmis konfrontiert, doch wieder ließ ihn sein Gedächtnis im Stiche. 
Nun ward er freigegeben. In den späteren Verhören (23 Mai, 8. 10. Juni) nochmals 
das gleiche Possenspiel; immer wieder hieß es, „eine genaue Erinnerung ginge ihm nicht 
bei.“ Als Sand endlich einiges von seinen Lügen zurücknahm, da meinte Follen, 
Sand müsse wohl nicht bei Sinnen gewesen sein, und erbot sich zu beschwören, daß er 
jenes Paket von Sand nie erhalten hätte — — ein Eid, der ihm nach dem Grundsatze 
der Unbedingten nicht schwer fallen konnte. Über die Unbedingten sagte er harmlos,
	        
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