XXVII. Denkwürdigkeiten des Prinzen Emil von Hessen. 753
26. Wir bekennen, überzeugt zu sein, daß ein großer Teil der Greuel der fran-
zösischen Revolution den Jakobinern zur Last fällt, daß aber ein vielleicht nicht geringerer
Teil der Schuld auf denen ruht, welche sich bemühten, die politischen Veränderungen
und Verbesserungen, welche die Zeit forderte, zu hindern. Wir bekennen auch die Meinung
und Überzeugung, daß ein sehr großer Teil des Unrechts und des Übels in der Welt aus
der geduldigen und trägen Schwäche derer entspringt, welche unrecht leiden ohne die
gerechten Mittel, welche ihnen zu Gebote stehen, zu ihrem Schutz zu gebrauchen.
27. Wenn ein gemeinschaftlicher Kampf der Deutschen gegen den Feind bevorstände,
so wäre gewiß ein gemeinschaftliches Zeichen zu wünschen; welche Farben können passender
sein als die Farben des Ernstes und der Reinheit, welche Blücher trägt?
XXVII. Denkwürdigkeiten des Prinzen Emil von Hesen.
Zu Bd. III. 63. V. 561.
Prinz Emil von Hessen begann im Jahre 1823 Aufzeichnungen aus seinem Leben
niederzuschreiben, ließ das Unternehmen jedoch leider nach wenigen Bogen wieder liegen,
Einige mir daraus gütig mitgeteilte Bruchstücke scheinen lehrreich zur Charakteristik des
Prinzen selbst und der rheinbündischen Höfe.
— — — die Unzuverlässigkeit dieses Erben ldes Kronprinzen Ludwig von Bayern],
eine Seite, welche nicht leicht jemand mehr wie ich zu erkennen Gelegenheit hatte. Enthu-
siasmiert, oder wenigstens anscheinend, für die Franzosen, hatte er verlangt, mit den Bayern
den Feldzug gegen Preußen im Jahre 6 mitzumachen. Im Jahre 9 marschierte er ebenso
gegen die OÖsterreicher im Tirol. In diesem Jahre sah ich ihn in das Hauptquartier des
Kaisers Napoléon nach Schönbrunn kommen, wo ich mich auch befand. Letztern im
Vorzimmer mit Hunderten von Marschällen, Generalen und anderen Offizieren er-
wartend, erschien der Kaiser nicht sobald, als der Kronprinz auf ihn losging und ihm
die Hand küßte. JNapoléon umarmte ihn hierauf und sagte: „Ah, bonjour Louis,
comment cela va-t-il?“ Worauf er weiter zur Parade ging. — Dieses Benehmen war
nun gerade nicht im vollkommensten Einklang mit dem anno 14 gehaltenen. Da war
Frankreich und Napoléon eine Abscheulichkeit, der Kronprinz ein deutscher Mann und
alle diejenigen, welche, sich selbst achtend, das gefallene IJdol nicht mit Füßen treten
wollten, Verräter oder verdächtige Menschen. So erzeigte dieser enthusiasmierte Held
auch mir die Ehre, sich im Jahre 15 über mich zu äußern, er wundere sich, wie man mir
ein Kommando anvertrauen könne, da ich doch ein bekannter Franzosenfreund sei. —
Und dies am Tisch gehaltene propos fiel in die Zeit, wo der Kronprinz mich mit Freund-
schaftsversicherungen überhäufte, bei mir zu Mittag aß usw. Als man mir dies propos
hinterbrachte, konnte ich mir nicht versagen, obige Anekdote dem Erzähler, einem An-
hänger des Kronprinzen, mitzuteilen, hinzufügend: „Zwar bin ich der bekannte Fran-
zosenfreund, aber mich so zu erniedrigen, wäre ich nicht fähig gewesen.“ — Nach ge-
endigter Campagne, wo ich den Theresen= und St. Georgsorden erhalten hatte, sah ich
den Kronprinzen zu Paris. Eines Morgens kam er zu mir mit gewöhnlicher Freund-
schaft, mich in seinem stotternden zischenden Organ versichernd, wie sehr ihn meine Successe
freuten. Ich erwiderte ihm: „Ihre Wünsche sind mir um so werter, als ich Sie ver-
sichern kann, daß es Menschen gab, die niederträchtig genug waren, das mir erteilte Kom-
mando als gefährlichen Händen anvertraut zu behaupten.“ Se. K. H. bekam einen roten
Kopf und replizierte: „In Ihre militärischen Eigenschaften hat gewiß niemals jemand
Zweifel gesetzt.“ „Nein, aber in meine Ehre, und das war desto schlechter“ war meine
Antwort.
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. V. 48