Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Preußens Vorbehalt. 79 
Wendung wurden ihm alle die teuren Erinnerungen des Befreiungs- 
krieges wieder lebendig. „Wir dürfen“, so ließ er nach Wien schreiben, 
„den ersten Vertrag nicht abschwächen, durch welchen das britische Kabinett 
sich offen von Frankreich getrennt und seinen Platz unter den konservativen 
Mächten wieder eingenommen hat.““*) Andererseits sah er wohl ein, daß 
Preußen die schwerste Last würde tragen müssen, falls ein allgemeiner 
Krieg ausbräche. Um dies Unheil von seinem Lande abzuwenden, ließ er 
allen Mächten bestimmt erklären, er halte fest an der friedlichen Politik 
seines Vaters. Die Klausel, welche Bülow dem Vertrag eingefügt, ge- 
nügte ihm nicht; er verlangte vielmehr, daß seinem Staate die Neutralität 
feierlich verbürgt werden müsse) 
Mit erklärlicher Verwunderung nahmen die drei befreundeten Mächte 
diese Mitteilungen entgegen. Palmerston meinte kurzweg, alle vier Mächte 
seien vertragsmäßig verpflichtet, nach dem Maße ihrer Machtmittel zu- 
sammenzuwirken, und ließ in Berlin anfragen, was demnach Preußen für 
die gemeinsame Sache zu tun gedenke."*“) Nesselrode sagte dem preußi- 
schen Gesandten Liebermann, der ihm im stillen nicht unrecht geben 
konnte, hoch entrüstet: das sei doch unerhört, daß Frankreichs zunächst 
bedrohter Nachbarstaat, nachdem er sich dem Vierbunde angeschlossen, noch 
neutral bleiben wolle; und der Zar warnte freundschaftlich, solche Vor- 
behalte erregten in England Geringschätzung.#p) Selbst Metternich konnte 
nicht umhin, im August bei der Pillnitzer Zusammenkunft dem Könige 
vorzustellen: eine förmliche Erklärung der Neutralität erwecke das Miß- 
trauen Englands, „das wir soeben zu unserem Banner bekehrt haben“; 
Thiers aber würde darin ein Zeichen der Schwäche des Vierbundes 
sehen.) So geschah es auch; denn kaum hatte der französische Minister 
etwas erfahren, so sagte er erleichtert: also nicht ein Vierbund, nur ein 
Dreibund steht uns gegenüber ! #) Mehrere Wochen hindurch währten 
diese geheimen Verhandlungen; sie erweckten bei allen Höfen den Eindruck, 
daß Preußens Diplomatie unter dem bescheidenen alten Regiment doch 
weit verständiger und fester geleitet worden war als unter dem prunkhaften 
neuen. Endlich ward ein Vermittlungsantrag Metternichs angenommen 
und am 14. August von den vier Mächten ein geheimes Protokoll 
unterzeichnet, kraft dessen Preußen sich für den Fall eines Krieges „voll- 
kommene Freiheit des Handelns und namentlich das Recht der strengsten 
Neutralität vorbehielt. J) Nun erst ratifizierte Preußen den Vertrag. 
*) Werther, Weisung an Maltzan, 24. Juli 1840. 
**) Werthers Bericht an den König, 22. Juli; Weisung an Bülow, 4. Aug. 1840. 
*FF) Werthers Bericht an den König, 28. Juli 1840. 
#) Liebermanns Berichte, 26. 29. Sept. 1840. 
f) König Friedrich Wilhelm an Werther, Pillnitz 12. Aug. 1840. 
fü 0) Maltzans Bericht, 26. Aug. 1840. · 
«f)GeheimesProtokolldervierMächte,London14.Aug.;nebstBriefenvonPal- 
merston, Neumann, Brunnow an Bülow, 14. Aug. 1840. 
 
	        
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