Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

Unabhängigen wegen der Spartakisten im Ruhrgebiet, die in 
Schutzhaft sitzen und jetzt durch „Hungerstreik“ ihre Frei- 
lassung erzwingen wollen. Noske antwortet. Die Zietz kreischt. 
Schließlich bekommt sie, was bei der schlechten Luft und nach 
dem Sechstagewerk Erzbergers kein Wunder ist, Nerven- 
zufälle. „Die armen Menschen müssen verhungern! Die 
armen Menschen müssen verhungern !“ Von müssen ist natür- 
lich keine Rede, sondern allenfalls von wollen. Aber Frau 
Zietz schreit und beult, und schließlich packt sie ihren ganzen 
Kram von Akten, Zeitungen, Drucksachen zusammen und 
schleudert ihn zwischen die Bänke, daß die Blätter nur so 
fliegen. Die Politik wirkt auf die sanfte Frau Zietz wie 
Alkohol. Das heulende Elend ist die Folge davon. 
aragraphengalopp 
Weimar, 30. Juli 
Der Präsident kommandiert eine Gruppe Freiübungen nach 
der anderen. Die Versammlung rauscht immer wieder auf 
und nieder. Da wir mitten in der Abstimmung über alle An- 
träge dritter Lesung zu den 175 Paragraphen der Verfassung 
sind, werden heute die stärksten Anforderungen nicht an den 
Kehlkopf, sondern an die Streckmuskeln und das Sitzfleisch 
der Abgeordneten gestellt. Die Paragraphen springen bei der 
dritten Lesung so eilig vor wie die Ziffern einer Droschkenuhr 
bei dritter Taxe; daher darf sich kaum jemand aus dem Saale 
entfernen, man steht auf und setzt sich in derselben Regel- 
mäßigkeit wie der Galeerenruderer. Die geistige Anspannung 
ist nicht mehr groß, aber in harter körperlicher Arbeit der 
entsprechenden Abstimmungsorgane kommt man heute vom 
1. bis zum 151. Artikel der Berfassung. Einzelne umstrittene, 
260
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.