Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

übrigen ist er als Redner nicht sehr wirkungevoll, so sorg- 
fältig stilisiert auch alles ist; man denkt immer, es tue ihm irgend 
etwas weh, so verzieht er seine Hängelippe beim Sprechen. 
Der Vortrag ist nicht gerade hinreißend. Ein älterer deutscher 
Volksparteiler, seines Zeichens auch Professor, nickt mit 
dem Kopfe vornüber; auf die linke Schulter des mütterlich 
stillbaltenden Fräuleins Behm sinkt das müde Haupt eines 
Deutschnationalen. Auch bei Preuß' Fraktionsgenossen, den 
Demokraten, schwanken die Köpfe. Es wird so wunderlich 
traumhaft, und der Redner vermeidet es, irgendwo anzu- 
stoßen, damit niemand auffährt. Er sagt, 1849 sei die Einigung 
an dpnastischen Widerständen gescheitert, nun seien die Dy- 
nastien weggefegt, aber partikularistische Widerstände erhöben 
sich gegen die Zentralisierung. Es sei vorläufig ein Kom- 
promiß über ein Notgesetz von neun Paragraphen unter 
Ausschluß der Entscheidung über wichtige Zuständigkeits- 
fragen beschlossen worden. Das müsse schnell, sehr schnell 
angenommen werden, damit wir verhandlungsfähig würden. 
Seine umfangreiche eigene VBerfassungsarbeit, einschließlich 
der Zersplitterung Preußens, hat Preuß also wirklich vorerst 
begraben müssen. Ein mattes „Deutschland über alles“ soll 
diesem Solisten einen guten Abgang verschaffen. Aber Chor 
und Orchester fallen nicht jubelnd ein. Man reibt sich die 
Augen und erfährt, daß die Sitzung zu Ende sei. 
Dann wird in der großen Halle des Landestheaters weiter 
für die Weltgeschichte gearbeitet, indem man sich vor dem 
Photographen aufstellt. Gruppenbild der regierenden sozial- 
demokratischen Partei. Massenwirkung. Der bescheidene 
Scheidemann hat sich versteckt, wird aber von den Damen der 
Partei unter Hallo herbeigezerrt. „Bitte, bitte, für die 
amerikanische Presse!“ sagt der Photograph. Und aus den 
Reiben der Aufgebauten antwortet has ehrfürchtige Gemur- 
mel: amerikanische Presse, amerikanische Presse 
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