Full text: Friedrich der Vorläufige, die Zietz und die Anderen.

Um 10 Uhr früh hat man heute angefangen; und auf 10 Uhr 
abends geht die Uhr beim Schluß. Erzberger, der — das 
muß der Neid ihm lassen — bewundernswert frisch bleibt, 
da er ja nicht durch Unterernährung geschwächt ist, hat seine 
Augen und Ohren überall. Sein Fraktionskollege, der alte 
Weißbart Herold, hält noch in später Stunde eine lange 
Rede, ohne zu merken, daß alles laut stöhnt, daß Rufe des 
Unwillens laut werden und daß diejenigen, die nicht rufen, 
es nur deshalb nicht tun, weil sie nicht mehr die Kraft dazu 
aufbringen. Ha schickt Erzberger einen Abgeordneten aus, 
der soll Herrn Herold den Mund stopfen. Dann einen zweiten 
Kollegen. Schließlich eilt er selber leichtfüßig ins Parkett 
und bläst den Zapfenstreich. Auch der Präsident Fehrenbach 
scheint von der allgemeinen Mattigkeit zur Strecke gebracht 
zu sein. Er kann nichts mehr zur Abkürzung der Debatte tun. 
Redner kommen und gehen, Paragraphen schwirren, Vor- 
lagen werden Gesetze. Nicht nur die Reichsabgabeordnung, 
sondern auch die Postgebühren, die Tabaksteuer, das Gesetz 
über Wochenhilfe und Wochenfürsorge, bei dem den weib- 
lichen Abgeordneten sämtlicher Fraktionen von den männ- 
lichen Gesetzgebern galant der Vortritt gelassen wird. Dazu 
eine Erklärung des Ministerpräsidenten über die polnische 
Frage, dazu ein Scheffel voll kleiner Anfragen; der Schrei 
nach Ferien wird allmählich elementar. 
Auf dem Wege zur Verlumpung 
Weimar, 20. August 
Sn der guten alten Zeit war es höchst unpopulär, für neue 
Steuern zu stimmen. In der Wahlbewegung wurde von den 
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