schäftigt ist, das Zentrum noch zur Verbreiterung ihrer Basis
zu gewinnen. Irgendeine Abgrenzung der Zuständigkeit des
Reiches und Preußens gibt es auch noch nicht, so daß über
dieselben „Fragen“ hier wie dort debattiert wird: es ist wie bei
einer Volksversammlung, die wegen starken Andranges auf
zwei Lokale verteilt wird, nacheinander mit den gleichen
Reden hüben wie drüben.
Da aber das Reich immer mehr Befugnisse für seine Na-
tionalversammlung erhält, werden die anderen immer be-
deutungsloser. Die preußische Filiale wird allmählich zur
Rednerschule zweiten Ranges herabsinken, zu einer Vorbe-
reitungsanstalt für die große Reicheredehalle, durch die es zu
Amt und Würden geht. Zu sagen hat bald weder Preußen
etwas noch seine Nationalversammlung.
Dae ist eine noch viel gefährlichere Zertrümmerung Preußens
als die Zerstückelung auf der Landkarte. In temperament-
vollen Ausführungen, Hergt in bisweilen hinreißendem Feuer,
v. Richter in ruhigerer Eindringlichkeit, weisen die Redner
der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei auf die
Abgründe, denen wir zujagen, rufen uns ein Halt zu und ein
Zurück. Wir leben unter einer gesetzlosen und ganz undemo-
kratischen Diktatur, die Hals über Kopf die tollsten Experi-
mente durch bloße Berordnungen anstellt. Selbst der Zen-
trumsredner Am Zehnhoff hbat so seine dunklen Ahnungen,
daß dies und das in dem Entwurf einer vorläufigen Verfassung
nicht ganz reinlich und zweifelsohne sei. Aber die Phalanx
der Redner von der „anderen Nation“, der Hirsch und Heil-
brunn und Heilmann und Rosenfeld, marschiert. Der betörte
preußische Wähler hat am 26. Januar ihr sein Geschick in die
Hände gegeben. Und diese stärksten Hasser des alten Preußens
werden nicht eher ruhen, als bis sie auch seine Zugrunde-
richter geworden sind. Sie sehen nicht deutsch und nicht
preußisch aus, diese Rotköpfe und Blaurasierten, und sie
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