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scheidung des Konflikts berufenen Behörde fehlte.!) Zu betonen ist
nur, dass dieser Weg nur im Falle einer Verfassungsstreitigkeit 2),
nicht also schon dann offen steht, wenn die Art der Verwaltung der
provisorischen Regierung nach der Seite ihrer Zweokmässigkeit an-
gefochten werden sollte. Ferner wird das Reich auch aus eigener
Initiative dann vorgehen können, wenn der Zustand des Glied-
staates ihn zur Erfüllung seiner verfassungsmässigen Bundespflichten
unfähig macht: dann wird die vom Bundesrath zu beschliessende,
vom Kaiser zu vollstreckende Exekution heilend zu wirken ver-
mögen?); das Reich wird endlich auch eingreifen müssen, wenn
entweder das Recht auf die provisorische Regierung oder das Recht
auf den Thron zwischen mehreren Prätendenten streitig ist: denn
das Reich kann Gewissheit darüber verlangen, wer zur Ausübung
der Gliedstaatsgewalt und zu ihrer Innehabung berufen ist, da mit
dieser zugleich die Antheilschaft am Reichsregimente gegeben ist.*)
Dafür ist die Prüfung der Legitimation der Bundesrathsbevollmäch-
tigten, auch wenn sie sich auf die Legitimität des Vollmachtgebers
erstreckt und dadurch mittelbar eine Entscheidung über diese her-
beiführen könnte’), ein zu schwaches Mittel; denn eine solche Ent-
scheidung schlösse, falls sie die Legitimität des Vollmachtgebers
verneinte, höchstens einen Unberechtigten von der Ausübung der
Reichsregierungsrechte aus, ohne aber für die Durchführung bestehen-
der Rechte im Einzelstaate zu sorgen.
VIII. Eine besondere Betrachtung macht sich endlich für das
Interregnum in Preussen), insofern ihm Bedeutung für das Reich
zukommt, nothwendig. Denn Preussen ist die Präsidialmacht des
Reiches, was insbesondere darin seinen Ausdruck findet, dass mit der
Krone Preussen die deutsche Kaiserwürde verbunden ist. Verfassungs-
mässig ist das Subjekt der kaiserlichen Würde der jedesmalige König
von Preussen °), mit dieser Stellung ist jene ipso jure verknüpft; es
1) RV. a. 76 al. 2.
2) Hierüber v. Marrırz, Betrachtungen über die Verfassung des norddeutschen
Bundes S. 29ff.; SeypeL, Commentar S. 255f£.; Lazanp I. S. 250ff.; G. Meyer,
Staatsrecht $ 212.
3) RV. a. 19.
4) LaBanD 1. S. 250.
5) Vgl. Lasann I. S. 228 zu Note 1 und die dort Citirten.
6) Ein solches wird allerdings sehr selten sein, möglich ist es immerhin:
man denke insbesondere an den Fall der Schwangerschaft der Königin-Wittwe. Im
Uebrigen ist die Seltenheit eines Falles kein Grund, ihn von wissenschaftlicher
Behandlung auszuschliessen. 7) RV.a 11.