Full text: Vorgeschichte des Waffenstillstandes.

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Am gleichen Tage übersendet Hindenburg, der in Berlin anwesend ist, dem 
Reichskanzler nochmals schriftlich die Erklärung, 
daß die Oberste Heeresleitung aufihrer Forde- 
rung der sofortigen Absendung des Friedens- 
angebots bestehen bleibt (Nr. 33). 
Nach eingehender Besprechung unter den Staatssekretären geht die Note unter 
diesem Druck der Obersten Heeresleitung in der Nacht vom 3. zum 4. Oktober hinaus 
(Nr. 34). 
In der Leit bis zum Eintreffen der Antwort erklärt der Reichskanzler am 6. Ol— 
tober nach dem vorliegenden Protokoll nochmals:-Ich habe gegen Note gekämpft),#erstens 
weil ich Moment für verfrüht hielt, zweitens weil ich an Feind im allgemeinen mich 
wenden wollte. Jetzt müssen wir Konsequenzen in Ruhe überlegen. Jetzt muß Lage 
an der Front festgestellt werden, und zwar durch gewiegte Offizierre.. Armeeführer 
müssen gehört werdene (Nr. 35). Die Staatssekretäre äußern sich im gleichen Sinne. 
Der Gedanke ist offenbar der, daß Ludendorff die militärische Lage auf Grund eines 
Zusammenbruchs der Nerven zu schlecht beurteilt haben könnte. Es entsteht nunmehr ein 
eigentümlicher Konflikt, der sich durch die ganzen weiteren schweren Verhandlungen von: 
6. bis zum 26. Oktober hinzieht: General Ludendorff sieht in der 
Befragung anderer Generalc ein Mißtrauen und läßt für 
diesen Fall mit seinem Abschied rechnen von dem die Reichs. 
leitung eine Beschleunigung des Jusammenbruchs befürchtet (Nr. 35, 38, 39, 54 und 
besonders 55, 62, 82). 
Der von Rathenau in der Vossischen Jeitung veröffentlichte Plan einer leyée en 
masse wird erörtert, aber fallen gelassen, weil die militärischen Stellen, insbesondere 
Ludendorff selbst sch von ihr nichts versprechen (Nr. 36, Jiffer 7, Nr. 38 und 43 
zu Frage 7). 
Wilsons Antwort ist vom 5. Oktober. Sie verlangt eine nähere Festlegung auf 
die Punkte des Präsidenten in dem Sinne, daß beim Eintritt in die Diskussion nur noch 
eine Verständigung über die praktischen Einzelheiten ihrer Auwendung stattfinden soll. 
Ferner wird die Räumung der von Deutschland besetzten Gebiete gefordert und drittens 
eine Frage nach den in Deutschland maßgebenden Gewalten gestellt (Nr. 37). 
Am 9. Oktober findet eine mündliche Verhandlung mit Ludendorff statt, in der 
dieser einen kurzen Rückblick über die ganze Kriegsgeschichte gibt (Nr. 38). In dieser 
Verhandlung erklärt Oberst Heye wiederum: „Es wäre Hasardspiel der Obersten Heeres- 
leitung, wenn sie den Friedensschritt nicht beschleunigte, es kann sein, daß wir bis zum 
Frühjahr halten, es kann aber auch jeden Tag eine Wendung 
kommen. Gestern hing es an einem Faden, ob Durchbruch 
gelang. Truppe hat keine Ruhe mehr. Unberechenbar, ob Truppe hält oder nicht. 
Jeden Tag neue Uberraschungen. Ich fürchte nicht eine Katastrophe, sondern möchte 
Armee retten, damit wir während der Friedensverhandlungen sie noch als Druckmittel 
haben.= 
Der zuletzt angedeutete Gedanke wird wiedecholt von der Obersten Heeresleitung 
aufgenommen. Ludendorff vertritt den Standpunkt, daß Deutschland nicht ge- 
zwungen sei, alle Forderungen anzunehmen, daß insbesondere eine etwaige Forderung auf 
Preisgabe deutscher Festungen abgelehnt werden könne (Nr. 38, 43). Aber die Ant-
	        
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