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von Haeften bestätigt, daß während dieses schweren Kampfes die Heerführer
nicht abgerufen werden könnten und nimmt die Oberste Heeresleitung gegen die Ansicht in
Schutz, als ob sie eine Verschiebung der Verantwortlichkeit beabsichtigt habe, in dem er
die Entstehungsgeschichte des Telegramms darlegt. Er nehme an, daß Exzellenz Luden.
dorff von dem Telegramm überhaupt keine Kenntnis habe.
von Paher meint, daß eine schriftliche Auskunft der andern Heerführer nicht
genüge, sie müßten sich von dem Kabinett im Notfall durch ihre Generalstabschefs ver-
treten lassen. Ohne eine Aussprache mit ihnen könne das Kabinett die Verantwortung
vor dem Vaterland nicht tragen.
Der Reichskanzler erklärte, wegen der Anhörung anderer Heerführer habe er
Seiner Majestät Vortrag gehalten und erwarte noch im Laufe des Tages die Ent-
scheidung des Kaisers, von der seine weiteren Schritte abhängig seien. Man müßte damit
rechnen, daß Hindenburg und Ludendorff die Zuziehung persönlich nehmen würden, wenn
uber die Nachrichten für das Kriegskabinett nötig seien, müsse das Erscheinen der beiden
Herren veranlaßt werden.
Nr. 55.
Sitzung
des engeren Kabinetts vom 17. Oktober 1918.
Anwesend:
Der Reichskanzler,
der Vizekanzler,
die Staatssekretäre des Auswärtigen Amts, des
Reichsschatzamts,
der Vizepräsident des Preußischen Staats-
ministeriums,
Die Staatssekretäre Groeber, Haußmann, Scheidemann!
Unterstaatssekretär Wahnschaffe,
Ministerialdirektor Deutelmoser.
Der Reichskanzler eröffnet die Sitzung um 11 Uhr 20 Minuten mit der Mit-
teilung, daß er ein Telegramm Seiner Majestät erhalten habe, wonach außer dem
Ersten Generalquartiermeister noch andere Heerführer zu hören sein würden. Dies habe
er dem General Ludendorff mitgeteilt. Der General habe in großer Erregung geant-
wortet, dann würde er sofort seinen Abschied nehmen und mit
ihm Generalfeldmarschall Hindenburg. Es musse jetzt erwogen
werden, wie man sich zu dieser Folge stellen solle. Seiner Ansicht nach solle man zunächst
die Ausführungen Ludendorffs entgegennehmen und sich erst dann entscheiden.
Solf berichtet, daß ihn heute morgen zu ungewöhnlich früher Stunde der Abge-
ordnete Rießer aufgesucht und ihm gesagt habe, das Vertrauen der nationalliberalen
Partei auf General Ludendorff sei so erschüttert, daß sie erwarte, die Regierung werde
sich bei ihrem Entschluß nicht nur auf Hindenburg und Ludendorff stützen, sondern auch
andere Feldherren hören.