Vornehmlich alles, was die See betraf, fand mein brennendes Inter-
esse. Die englischen Marinebücher, die Königin Bictoria meinem zur
Seefahrt bestimmten Bruder zum Geburtstage und zu Weihnachten
schenkte, habe ich immer zuerst gelesen. In meiner Gymnasialzeit
kam auch gerade das schon erwähnte Buch von Admiral Werner
über die deutsche Flotte heraus, dieses hat mich in Kassel nie ver-
lassen, ich habe, wie erwähnt, auch meinen Kameraden oft daraus
vorgelesen, um meine Begeisterung auf sie zu übertragen und konnte
eb schließlich auswendig.
So groß mein Interesse für Epos, Drama und auch für Balladen
war — die wundervollen „Glocken zu Speyper“ und andere Kafser-
balladen von Löwe, die Graf Görtz in Schlitz sang, haben mich tief
bewegt —,. so gering war mein Interesse für Lprik. Hinzpeter war darüber
sehr unglücklich und gab sich redliche Mühe, den fehlenden Sinn zu er-
wecken — aber vergeblich. Ebensowenig war sein Vorhaben, mich zu eigener
poetischer Broduktion zu begeistern, von Erfolg gekrönt. Ich folgte zwar
seinen ernsten Mahnungen, einmal meine Kunst zu versuchen, und
machte mich auch wirklich ans Dichten. Da ich 15 Jahre alt war,
mußte es natürlich eine Tragödie werden und ebenso selbstverständ-
lich eine historische. Meine Wahl fiel nach langem Suchen auf die
Geschichte von den beiden Athenern Harmodios und Aristogeiton,
die im Jahre 714 v. Chr. den Pisistratiden Hipparchos ermordeten
— also ein Revolutionsdramal Eine Kiebesgeschichte spielte natürlich
auch hinein und gab dem Epos nach der Heldin den Titel „Hermione“.
Ich ließ mir die Arbeit recht sauer werden und zimmerte meine Verse
unverdrossen und mit großem Fleiß. Schließlich ebbte die Begeiste-
rung aber doch ab, und als mein späterer Schwager Bernhard mir
eines Tages eröffnete, daß er bereits diesen Stoff dramatisch be-
arbeitet hätte, da glaubte ich, die deutsche Hiteratur hätte an einem
solchen Stück genug und gab den Plan auf. So blieb die „Dich-
tung“ ein Torso.
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