Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

zu beweisen, daß ich etwas Ordentliches zu leisten imstande sei. Ich habe 
die Heimat, offen gestanden, unzufrieden, um nicht zu sagen tief verletzt 
und gekränkt verlassen! Mein Kampf gegen das Laster, die Schwelgerei, 
das Spiel, Wetten usw. bei unserer Jugend ist von einzelnen hochstehenden, 
bei Großpapa einflußreichen Herren mißgünstig beleuchtet, ja sogar falsch ge- 
deutet worden, und hat man heimlich versucht, mich bei Großpapa anzu- 
schwärzen, um ihn gegen mich einzunehmen — unser gegenseitiges Verhältnis 
hat schon manchen geärgert. — Es scheint dies in Etwas gelungen zu sein, 
obgleich ich aus seiner Güte gegen mich beim Abschied zu sehen meinte, daß 
es nur sehr gering gewesen sein kann. Aber ich kann es doch nicht unterlassen, 
Dir dieses Faktum zu erzählen, um Dir zu zeigen, wie schwer mir auch mili- 
tärisch das Leben gemacht wird. Ich habe genugsam in das Tun und Treiben 
unserer sog. „guten Gesellschaft“, auch „QJeunesse dorée“ geblickt, um nicht 
Abscheu und Ekel vor denselben zu haben, weshalb ich mir als Oberst und 
Leiter eines Offizierkorps vom ersten Augenblick an zum Ziel genommen, 
demselben einen Geist der christlichen Zucht, Sittlichkeit und Einfachheit ein- 
zuimpfen. Aber durch die Maßnahmen und das energische Auftreten er- 
regte ich — neben dem mir von allen Teilen des Reichs aus Armee= und 
Provinzbreisen zuströmenden Dank — seitens der sich getroffen fühlenden Per- 
sonen Arger, der sie veranlaßte, auf nicht offenen Wegen durch oben ange- 
deutete Bersönlichkeiten gegen mich zu agitieren und Großpapa mit hinein 
und zwar gegen mich zu engagieren. Die Phasen des wechselvollen Winters 
und Frühjahrs durchzugehen ist hier nicht die Zeit, — Tante Luise und Onkel 
Fritz haben sie zum Teil mit durchlebt und mich mie Zuspruch gestärkt und 
könnten Dir viel sagen — doch gelangen die Machinationen nur zum Teil und 
erreichten nur das, daß mir der Kampf gegen die Unlauterkeit erheblich er- 
schwert wurde, da ihm in geschickter Weise bei Großpapa eine falsche Deutung 
gegeben lwurdel. Ich habe manche Kränkung und manchen versteckt ange- 
brachten Stich ohne Murren hinnehmen müssen um der Sache willen, fa 
selbst das Wohlwollen und Einverständnis wie die Billigung meines Vaters 
dabek vermochte mich nicht zu schützen! Soweit ist der Standpunkt derer, die 
um Großpapa sind, herabgesunken, daß sie wegen ihrer eigenen persönlichen 
Pläne und Wünsche sich nicht entblöden, nicht nur gegen den eigenen Enkel, der 
ein altpreußisches, echt christlich deutsches Offizierkorps heranzubilden bemüht 
ist, zu intrigkeren und ihm Aufenthalk zu bereiten, sondern sogar es wagen, 
den Großpapa persönlich gegen ihn einzunehmen durch Verleumdung! Es ist 
sehr schmerzlich, das herauszufinden, für mich, von dem Du wohl die einzige 
bist, die weiß, was ich zu Hause zu erdulden gehabt, well ich fest und uner- 
schütterlich treu zu Großpapa und Dir gestanden, und wie ich Tag und Nacht 
sauer gearbeitet, seitdem ich im Dienst bin (9 Jahre), um Großpapa Freude 
zu machen und ihm seine Wünsche an den Augen ablesend womöglich im voraus 
zu erfüllen! Das ist die schwerste Prüfungl 
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