Emil von Görtz-Schlitz, der mir später sehr nahegestanden hat.
Hier im Hause des Grafen Görtz lernte mein Vater den Bädagogen
kennen, dessen Fähigkelten ihm so gerühmt wurden, daß er ihn zur
Erziehung für meinen Bruder Heinrich und mich zu gewinnen be-
schloß. Seinen Bemühungen blieb der Erfolg nicht versagt, und im
September 1866 konnte Hinzpeter sein Amt bei uns übernehmen,
das er fast 13 Jahre lang innegehabt hat.
Hinzpeter war ein kluger, wissenschaftlich streng durchgebildeter
Mann mit tiefgründigem Wissen und vielseitigen Interessen, ein auf-
rechter, vornehmer Charakter, freilich in hohem Maße von Ehrgeiz
erfüllt. Seine Bädagogik war ganz auf harte, nüchterne Pflicht-
erfüllung und auf „Dienen“ eingestellt: der Charakter muß durch
stetes „Entsagen“ gestählt werden, das Leben des Prinzen hat sich
im Sinne „altpreußischer Einfachheit“ zu gestalten, die rauhe Er-
ziehung der Spartaner ist das Ideal. Kamen die Meiningischen
Vettern zu Besuch, so war es meine Pflicht, ihnen gastfreundlich
Kuchen anzubieten — selbst aber durfte ich nichts nehmen: „Ent-
sagen“ war die Losung. Zum Frühstück gab es trockenes Brot — denn
die Schwarze Suppe der Spartaner war auch nicht frugaler ge-
wesen. Lob spendete er nie — denn der kategorische Imperativ
der Pflicht verlangte sein Recht an sich, was brauchte es da des
anfeuernden oder anerkennenden Wortes? Ich entsinne mich, daß
ich einmal zum Geburtstag meines Großvaters von Kassel aus nach
Berlin gefahren, aber aus Arbeitseifer nicht zur Feier am Abend
geblieben war. Als ich mich nach durchfahrener Nacht am andern
Morgen bei Hinzpeter, der noch im Bett lag, zurückmeldete, erhielt
ich statt eines Wortes der Anerkennung lediglich die Anwetsung, mich
auf die erste Unterrichtsstunde vorzubereiten. Dieser streng durch-
geführte Grundsatz, nicht zu loben, war der Ausfluß eines päd-
agoglschen Sostems mit ganz bestimmter Zielsetzung: er verlangte vom
Schüler das Unmäögliche, um thn wenigstens den nächsten Grad der
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