Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Hand in Hand mit meiner wissenschaftlichen ging meine körper— 
liche Ausbildung. An und für sich war mir eine gute, widerstands- 
fahige Konstitution zu eigen, ich erwies mich im Ertragen von gei- 
stigen Anstrengungen und körperlichen Strapazen durchaus meinen 
Kameraden gewachsen, teilweise überlegen. Unzuverlässig zeigte sich 
meine Natur allein darin, daß ich für ansteckende Krankheiten in 
einem außerordentlich hohen Grade anfällig war und von diesen 
dann auch ungemein schwer heimgesucht wurde. Wenn irgend jemand 
in meiner Nähe einen harmlosen Schnupfen hatte, wurde ich un- 
weigerlich angesteckt, bekam ihn dann aber mit mehr oder weniger 
hohem Fieber und war auf mindestens eine Woche völlig arbeits- 
unfähig. Ich habe mich daher vor ansteckenden Krankheiten immer 
nach Möglichkeit in acht nehmen mühssen. 
Ein ausgesprochenes Hemmnis war es aber für mich, daß mein 
linker Arm infolge einer bei der Geburt entstandenen, anfangs über- 
sehenen Berletzung in der Entwicklung zurückgeblieben war und seine 
freie Beweglichkeit eingebüßt hatte. Die ärztliche Wissenschaft der 
Zeit hatte wohl noch nicht jene modernen orthopädischen Mittel be- 
reit, mit denen man heute einen solchen Zustand beheben würde. Jeden- 
falls wurde ich auf die verschiedensten Arten behandelt, die man jetzt 
wohl nur noch als laienhaft bezeichnen würde, und die das einzige 
Ergebnis hatten, daß ich in schmerzvollster Weise gequält wurde. 
Auch der Turnunterricht, den ich von dem tüchtigen und som- 
pathischen Hauptmann v. Dreskoy vom 2. Thüringischen Infanterie- 
regiment Nr. 32, dem späteren Leiter der Milktärturnanstalt, seit 
1866 erhielt, verfolgte ursprünglich lediglich die Absicht, meinen Arm 
auf gymnastischem Wege zu kräftigen. Erst allmählich ging er zum 
eigentlichen Turnen über, das ich aber selbstverständlich niemals mit 
der Passion betretben konnte wie andere, nichtbehinderte Knaben. 
Dahingegen habe ich das Schwimmen, das mir zuerst ebenfalls 
beträchtliche Schwierigkeiten bereitete, bald mit lebhafter Begeisterung 
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