Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Luise fuhr ich den Siegern bis zur Station Wildpark bei Potsdam 
entgegen. Welch eine Freude, welch ein Glück, als mich der geliebte 
Vater umarmte, ich den hochverehrten Großvater nun als Deutschen 
Kaiser wiedersah! Wahrlich, es war ein bedeutungsvoller Augen- 
blick, und „welch eine Wendung durch Gottes Führung“ konnte man 
wohl aus tiefstem Herzen sagen. 
Unendlicher Jubel begrüßte Kaiser und Kronprinz, als wir durch 
Berlin fuhren, brauste nachher noch lange zum Kronprinzenpalais 
empor und legte sich nicht eher, bis sich mein Bater, die Seinen um 
sich, den begeisterten Berlinern auf dem Balkon gezeigt hatte. 
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Vier Tage später, am 21. März, wurde der erste deutsche Reichs- 
tag im Weißen Saale des Berliner Schlosses eröffnet. Wenn ich 
auch noch wenig von der Bedeutung dieses Aktes verstand, war ich 
doch glücklich, ihm beiwohnen zu dürfen. Zu dieser Feierlichkeit hatte 
mein Bater, der fa gern das Kaisertum des neuen Deutschland an 
das mittelalterliche angeknüpft hätte, heimlich den Thron aus Goslar 
kommen lassen, was zu unangenehmen Auseinandersetzungen Anlaß 
gab. Meine Mutter hat diese Schwäche des Kronprinzen für das 
alte Kaksertum immer bekämpft und damitt thren klaren und ruhigen 
politischen Blick gezeigt. 
# 
Am 13. Junk zogen die aus Frankreich heimkehrenden Potsdamer 
Truppen in ihre Garnison ein. Mein Bater ritt mit meiner Mutter, 
die die Uniform ihres Husarenregiments angelegt hatte, und mit mir 
ich war natürlich in der Uniform des Ersten Garderegiments zu 
Fuß — den heimkehrenden Truppen bis Wildpark entgegen. Ich 
trat nicht mit ein, erlebte aber den Jubel in der schön geschmückten 
Residenzstadt mit, der keine Grenze kannte. Die Soldaten waren 
schließlich über und über mit Kränzen bedeckt, auch mein Bater hatte 
eine ganze Anzahl über seinen Degenknauf gehängt. 
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