Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Als wir so weiter ritten, rief plötzlich ein Mann aus dem Gedränge, 
welches laut brüllte und jubelte, mir zu: „Wilhelmken, Wilhelmken, 
leben Sie man hoch!“ Ich lachte in mich hinein und ritt weiter. 
So gings die ganzen Linden herunter, bis der Kaiser sich an 
seinem gewöhnlichen Platze aufstellte. Dort ließ er die Truppen an 
sich vorbeimarschieren. Er führte selbst einige Regimenter vor der 
Kaiserin vorbei und verlieh eigenhändig dem Fahnenträger seines 
Regiments (Königs-Grenadierregiment), zwei anderen und einem 
Offizier das Eiserne Kreuz I. Klasse. Die Akademie war sehr hübsch 
ausgeschmückt, denn zwischen jedem Fenster war das Gemälde eines 
Generals. Während der Barade wurde Prinz Albrecht Bater ohn- 
mächtig und mußte fortgetragen werden, er war ein wenig vom 
Schlag gerührt worden. 
Nachdem die Barade vorüber war, ritt der Kaiser und wir alle 
nach dem Schloßplatz, wo die Truppen aufgestellt waren. Vor dem 
verschleierten Denkmal war ein rotes, mit Gold verziertes Belarium 
aufgespannt, unter dem die Kaiserin und all die Großherzoginnen, 
Herzoginnen, Fürstinnen und Prinzessinnen standen. Als gebetet 
wurde, nahm der Kaiser in der brennenden Sonne seinen Helm abl 
Da bekam ich große Angst für ihn. Nach dem Gebet winkte der 
Kaiser mit dem Degen, und unter Kanonendonner, Wusik und Hurra- 
geschrei fiel die Hülle, und eine große NReiterstatue von Bronze kam 
zum Vorschein. Vor ihr auf den Stufen lagen die erbeuteten 76 
französischen Adler. Als der Kaiser an mir vorbeiritt, legte er seine 
Hand auf meine Schulter und sagte: „Diesen Tag wird Er auch nicht 
vergessen!“ Ich ritt dann nach Hause. 
Die ganze Einzugsfeier machte mir einen sehr schönen Eindruck. 
Doch gestehe ich offen, daß während des ganzen Ritts die Linden 
herunter und während der Parade ich keine Zeit zum Denken gehabt 
habe, ich war zu sehr mit Staunen und Hören beschäftigt, und leider 
machte die Enthüllung keinen erhabenen Eindruck.» 
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