Full text: Kaiser Wilhelm II. Aus meinem Leben 1859-1888.

Er war ein pädagogisch sehr begabter Mann, dem ich viel Sym— 
pathie entgegengebracht habe — Liebe zum mathematischen Studium 
konnte er mir freilich auch nicht beibringen. 
In Chemie lehrte uns die Grundbegriffe unsere Mutter. Dann 
gab uns hin und wieder James Hofmann, der Sohn des bekannten 
Chemikers A. W. v. Hofmann einige Unterrichtsstunden, später kam 
letzterer selbst auch mehrere Male. Aber ein eigentlicher Unterricht 
war das alles nicht zu nennen. 
Mademoiselle Darcourt gab nach wie vor Französisch#= daneben 
unterrichtete in französischer Literaturgeschichte Monsieur Fievek- ein 
kleines vertrocknetes Männchen. Ein Mister Fox, der Sohn eines 
Gesstlichen aus M#em Forest gegenüber der Insel Wight, ein stiller, feiner 
und feierlich auftretender Mann, den ich sehr gern gehabt habe, gab 
damals englischen Unterricht. Er hat mich später oft besucht, wenn 
ich nach England kam. 
Jeichnen hatten wir zuerst bei Professor Eichen, an den ich sonst 
weiter keine Erinnerung habe. Dagegen entsinne ich mich deutlich 
eines Malers Schlegel, eines verwachsenen Mannes, der viel in 
Italien geweilt hatte und in deutscher Schwärmerei nicht genug vom 
Lande seiner Sehnsucht erzählen konnte. Diese Begeisterung trug 
ihm bei uns losen Knaben den Spitznamen „Signor Schlegeliano“ 
ein. Wir mußten bei ihm nach der Natur besonders Bäume zeichnen, 
zum Wischen wurde Schwarzbrot genommen. Das gefiel uns aus- 
nehmend, Schwarzbrot kannten wir kaum — und so zogen wir es 
vor, das Brot seiner ursprünglichen Bestimmung zuzuführen und es 
aufzuessen! Signor Schlegeliano war dann immer sehr entsetzt über 
unsere materkalistische Gesinnung. Im Winter 1873/74 nahmen 
wir mit unserer Mutter im Kunstgewerbemuseum an den Unter- 
richtskursen im Elementar= und Ornamentzeichnen teil, die unter 
Professor Kachels Leitung standen. Dieser Unterricht sagte uns 
aber Iin keiner Weise zu, wir fanden die Noachzeichnung griechischer 
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